
Tromsøysund
Freitag, 23. März
“Verdammt, die Reise ging viel zu schnell vorüber!” Bereits beim Frühstück bemerke ich, daß uns allen irgendwie die gleichen Gedanken durch den Kopf gehen. Den letzten Tag gestaltet jeder noch mal für sich, wir treffen uns erst heute Abend zum letzten gemeinsamen Auswärts-Diner wieder. Kathrin hat einen Tisch im sehr gut beleumundeten Restaurant „Mathallen“ reserviert. Aber was tun bis dahin?
Amanda hängt noch die gestrige Tour in den Knochen. Sie will zu Hause bleiben, ihren Umzug nach England aus der Ferne organisieren und vielleicht auf Umwegen noch ein paar ihrer Fotos retten. Holger weiß auch noch nicht so recht, wann er los kommt, weil er noch ein paar Dinge für Erik programmieren muß. Birgit und Steffen gehen nochmal zum Langlauf raus auf die Stadtloipe. Bleiben Kathrin und ich.
Da wir beide Familien zu Hause haben, wo zumindest die Kinder auf ein Mitbringsel hoffen, wollen wir zunächst einmal diese besorgen und anschließend ohne konkretes Ziel ein bißchen in der Gegend herum fahren. Auf der Suche nach den idealen kleinen Geschenken kommen wir in der Oststadt an einem nagelneuen Eurospar-Supermarkt vorbei, wo ich ein paar norwegische Süßigkeiten kaufe, die meine Kids so gerne mögen. Kathrin findet für ihre Mädels sehr ordentliche Ski-Unterwäsche und auch etwas Kleines zum Naschen. Wir geben unsere Pfandflaschen ab und fahren raus aus der Stadt.
Den Fylkesveien 53 entlang des Tromsøysundes bin ich in nördlicher Richtung noch nicht allzu weit gefahren, deswegen nehmen wir mal diese Route. Immer wieder finden sich ein paar Motive am Wegesrand. Allesamt unspektakulär, aber vielleicht doch gut genug fürs Fotobuch. Solche Gelegenheiten darf man nicht achtlos liegenlassen. Alle Nase lang benötigt man irgendwelche „Füll-Bilder“, und auch die muß man auch erstmal finden und knipsen. Zum Beispiel halten wir am P&R-Parkplatz des Ski-Fernwanderweges “Tromsdalen” und werfen einen Blick auf die Szenerie. Von hier aus sind es 34 Kilometer bis Tromsø. Die letzten sechs davon sind wir vorgestern schon gelaufen. Die Landschaft sieht sehr einladend norwegisch aus, und diesen Weg merke ich mir mal für eine der nächsten Reisen. Nachdem auch die letzten Skiläufer weg sind, die sich eben in Richtung Süden aufgemacht haben, muß Kathrin als Fotomotiv arbeiten, was sie mit großer Professionalität erledigt.
Nur wenige Kilometer weiter endet die Straße im Dörfchen Oldervik. Von hier aus hätte man bei gutem Wetter einen tollen Blick auf die Lyngen Alpen, die direkt auf der anderen Seite des Ullsfjorden liegen. Heute hängen die Wolken zu tief, und die Sicht ist auch eher mau. Also stiefeln wir ein wenig im Hafen herum und fotografieren kleine Details, bei denen der Dunst keine Rolle spielt.
Auf dem Rückweg halten wir noch einmal bei einer großen Ölplattform an, die in der Bucht Tønsvika, nur wenige Kilometer nördlich von Tromsø, zur Wartung vor Anker liegt. Hier würde ich gerne mal eine Führung mitmachen. Weiß gar nicht, ob das überhaupt möglich ist. Vielleicht kann man das ja bei einer der nächsten Touren organisieren…
Gegen 16 Uhr sind wir wieder daheim. Da das Wetter wieder etwas besser geworden ist und wir bis zum Abendessen noch reichlich Zeit haben, beschließen wir, alle gemeinsam noch einmal etwas zu unternehmen. Wir wollen mit der Seilbahn auf den Hausberg Fløya fahren und von dort oben den Sonnenuntergang anschauen. Vielleicht springt dabei noch ein gescheites Abschlußbild raus. Da wir nur noch ein Auto haben, läuft ein Teil der Gruppe zur Talstation.
Die vor zwei Jahren modernisierte Kabinenbahn bringt ins in knapp fünf Minuten zur Bergstation auf 400 Metern Höhe. Von hier aus gelangt man in zu Fuß zu einer größeren Plattform mit unglaublichem Rundblick auf die Stadt und die Umgebung. Während ich mich noch an ein paar Panorama-Aufnahmen probiere, baut Birgit wieder eine kleine Bar auf, und wir erheben unsere Gläser auf die gelungene Reise. Bis zum Beginn der blauen Stunde bleiben wir noch hier oben, dann müssen wir aber los, um nicht zu spät zum Essen zu erscheinen.
Unabhängig voneinander haben Kathrin und ich bei der Suche nach einer geeigneten Location fürs letzte Abendmahl an einem der vorangegangenen Tage die Speisekarte der „Mathallen“ fotografiert und uns schon eine geeignete Menüfolge ausgesucht. Das Restaurant ist einer dieser hippen Läden mit offener Küche und sichtbarem Lager. Das Essen schmeckt hervorragend, lediglich das Lamm im Hauptgang verweigert sich hartnäckig dem Zerkauen. Insgesamt aber ein würdiger kulinarischer Abschluß der Reise.
Wie immer rundet ein gemeinsamer kleiner Umtrunk den Tag ab. Heute fällt er etwas größer aus als gewöhnlich, denn wir haben noch einige Weinvorräte übrig, die weg müssen. Und schließlich ist es unser letzter gemeinsamer Abend. Bei dieser Gelegenheit kriege ich als quasi-Reiseleiter von meinen Kollegen ein sehr süßes Kuschelhuhn geschenkt, was übrigens direkt nach meiner Ankunft bei der Familie daheim von meiner Tochter Paula konfisziert werden wird.
Steffen und Birgit waren in den vergangenen Tagen immer wieder sehr viel am Telefonieren mit diversen Business-People in Amerika. Und irgendwelche Papiere mußten sie ganz dringend organisieren – allerlei geheimnisvolles Tun, dessen Grund wir nun bei einem Glas Sekt erfahren. Beide wandern nach Florida aus. Aber nicht so loosermäßig wie in „Goodbye Deutschland“, sondern alles ordentlich organisiert und zunächst quasi auf Raten. Den Kauf eines Hauses (mit Pool) haben sie heute erfolgreich zum Abschluß gebracht, daher rührten die vielen geschäftlichen Anrufe der vergangenen Tage. Wir sind nicht wirklich überrascht über ihren Entschluß. Nachdem beide einen Großteil ihres Urlaubs in den letzten Jahren sowieso in Florida verbracht haben, lag es vielleicht sogar nahe, daß sie nach Steffens Ruhestand komplett dorthin umziehen. Aber ein bißchen traurig ist es schon. Da nehme ich lieber noch einen großen Schluck aus der Flasche. Prost!
Downtown Tromsø zur blauen Stunde
Samstag, 24. März
Heute mittag müssen wir abreisen. Aus diesem Grunde gehen wir morgens fast vollzählig auf Kaffebønna-Runde in die Stadt. Einmal noch bei herrlichem Winterwetter durch die City laufen, noch einen letzten frisch gebrühten Kaffee direkt am Ort seiner Entstehung schlürfen und noch einmal köstliches Gebäck fürs Frühstück im Laden nebenan mitnehmen. Ich kenne ein paar Leute, die dieses liebgewonnene Ritual sehr vermissen werden.
Wir stoßen nach dem Frühstück mit den letzten Weißweinresten nochmal auf den Umzug der Familie Hache und auf eine erfolgreich verlaufene Reise an, bevor wir unsere Taschen packen und aus der Ferienwohnung raus müssen. Um elf Uhr stehen wir an der Rezeption, ab zwölf können wir am Flughafen einchecken. Insofern sind die Flugzeiten der Lufthansa für eine Kurzreise nach Tromsø ideal. Als Business-Class-Gäste dürfen wir die (unspektakuläre) SAS-Lounge benutzen, und kurz vor dem Gang zum Gate entdecke ich im Duty-Free-Shop noch den Aquavit vom ersten Abend für die Hälfte des Preises, den er beim staatlichen Drogendealer „Vinmonopolet“ gekostet hätte. Davon nehme ich gleich eine Flasche mit, und noch eine mit Gin aus derselben Destillerie.
Beim Boarding läßt Steffen vielleicht ein bißchen zu gewollt nebenbei die Bemerkung fallen, daß eine Handvoll Fluglotsen zurück in die Heimat fliegt. Der Purser reagiert korrekt und gibt dem Kapitän diese Information ohne Delay weiter. Dieser kommt mal eben aus seinem Kabuff am Bug des Flugzeugs raus, begrüßt unsere Runde kurz persönlich und lädt diejenigen, die sich als Angehörige der DFS ausweisen können, zu einem Mitflug ins Cockpit ein. Steffen und ich nehmen sein Angebot gerne an. Für mich ist es insofern besonders interessant, weil Tromsø im Flugsimulator daheim so etwas wie meine Basis ist. Die An- und Abflugrouten kenne ich praktisch aus dem Effeff.
Nachdem die Flugvorbereitungen abgeschlossen sind und unser Airbus 319 ordnungsgemäß enteist wurde, rollen wir langsam zur Startbahn 01. Kurzes Backtracking, Ausrichten, schon fahren die Turbinen hoch. Nach der Hälfte der Bahn heben wir ab und steigen zügig auf Flightlevel 90, um sicher über die umliegenden Berge zu kommen. In einer langgezogenen Linkskurve fliegen wir noch einmal um die Stadt herum. Als wir abeam Bodø unsere Reiseflughöhe erreicht haben, klingelt der Steward an der Cockpittür. Essenszeit. Tja, da kann man nix machen. Bezahlt ist bezahlt, und so verabschieden sich Steffen und ich von der freundlichen Cockpitcrew und gehen wieder nach hinten.
Norwegen liegt unter einer dichten Decke aus Stratuswolken, aus denen nur hin und wieder mal eine Bergspitze heraus ragt. Das sieht einfach megageil aus. Ich setze die Kopfhörer auf und starte auf meinem MP3-Player meinen derzeitigen Lieblings-Soundtrack für solche Situationen, was mir direktemang ein paar Tränen in die Augen drückt.
Einigermaßen pünktlich landen wir in Frankfurt und fahren von dort gemeinsam mit zwei Autos zu Kathrin nach Hause, wo der eigentliche Abschied stattfindet. Alle versichern sich noch einmal, wie schön diese Tour war und wie toll unsere Gruppe zusammen funktioniert hat. Und damit endet meine achte Wintertour in den hohen Norden Norwegens. Aber die Planung für die nächste hat bereits begonnen…
Letzter Blick auf Tromsø

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