Skilanglauf im Tromsdalen

Mittwoch, 21. März

Die Wettervorhersage für heute ist eher so la-la. Und da morgen für die meisten Leute mit einer ganztägigen Hundeschlittentour das Highlight der Reise bevorsteht, legen wir zwischendurch einen ruhigen Tag ohne spezielles Programm ein.ALT Wir schlafen also lange aus, frühstücken in aller Ruhe, und danach macht erst einmal jeder sein Ding. Holger programmiert mit Erik noch an dessen Schulprojekt weiter, Birgit und Steffen gehen in die Stadt zum Bummeln, Kathrin schmeißt den Haushalt, und ich begleite Amanda in die City, weil ihr iPhone gestern komplett den Geist aufgegeben hat. In der Storgata gibt es einen Handyshop mit angeschlossener Werkstatt. Als uns an der Ladentheke ein junger nerdiger Typ nach den Umständen des allzu frühen Ablebens von Mandys Telefon fragt, bin ich mir sicher: wenn der das nicht reparieren kann, dann kann es niemand. Die Diagnose soll ungefähr zwei Stunden dauern.
Aber so lange möchte ich aber hier nicht warten. Ich verabrede mich darum mit Amanda zur angegebenen Uhrzeit wieder vor dem Laden und begebe mich jetzt erstmal zum Polarmuseum am Hafen. Eine der Attraktionen, die einem in jedem Cityguide ans Herz gelegt werden. Dort leihe ich mir einen gedruckten deutschsprachigen Führer zur Ausstellung und lasse mir bei der Besichtigung der Exponate reichlich Zeit.
ALTGegen Mittag werden Mandy die sterblichen Überreste ihres Ex-Telefons überreicht. Echt schade ist, daß sie zu dessen Lebzeiten nie ein Backup der Daten gemacht hat. Alle darauf befindlichen Fotos der letzten drei Jahre sind nun hin. Ebenso der Tag von Frau Smith. Traurig, aber da kann man nix machen.
Nach einem zweiten Frühstück beschließen Holger, Kathrin und ich, noch eine kleine Skitour im nahegelegenen Tromsdalen zu unternehmen. Es hat nämlich schon wieder geschneit bzw. schneit noch immer, so daß an Fotografieren derzeit nicht zu denken ist. Wir stellen das Auto auf dem großen Parkplatz am Eingang des Tals ab und begeben uns auf die Loipe. An der Stelle, wo die Route wieder zurück zum Ausgangspunkt führen soll, entdecken wir weit oben in den Bergen eine kleine Hütte. An die würde ich gerne etwas näher heran. Auf dem tief verschneiten Pfad dorthin spuren wir uns die Loipe für unseren Rückweg einfach selbst. Das Ganze hat etwas ungemein Beruhigendes.ALT Während wir drei – schweigend, jeder seinen Gedanken nachhängend und in seinem eigenen Rhythmus – durch den weichen Schnee bergan stapfen, wird der Kopf so richtig schön frei. Nach ungefähr zwei Kilometern endet der Wald. Wir erkennen, daß wir bis zur Hütte noch ungefähr doppelt so weit laufen müßten wie bis hierher. Das will jedoch niemand, also kehren wir an dieser Stelle wieder um. Ich mache noch ein paar Bilder, dann beginnt die Talabfahrt auf unserer Loipe. Das macht Laune!
Drei Stunden nach dem Start haben wir wieder den Ausgangspunkt erreicht. Jetzt sind wir doch etwas durchgefroren. Aber da weiß Kathrin Abhilfe. Wir fahren in die City zu Kaffebønna, trinken dort erstmal eine heiße Tasse Kaffee und gönnen uns dazu ein Stück Kuchen. Perfekt.
Auf dem Heimweg bestellen wir bei „Presis Tapas“ noch schnell einen Tisch fürs Abendessen. Dort wollte ich eigentlich schon im letzten Jahr hin, war aber immer zu voll gefuttert dazu. Der Laden ist klein, gemütlich und das Personal auf Zack. So liebe ich das. Wir bestellen jeder, was er mag und tauschen dann immer über den Tisch hinweg ein paar Stücke aus. Sehr lecker. Auch der Nachtisch ist nicht zu verachten.
Am Ende stellt „Dirty Plate Arranger“ Holger all unsere benutzten Teller, Platten und Schüsseln zu einem kunstvollen Ensemble zusammen, das von oben betrachtet wie ein Werk von Wassily Kandinsky aussieht. Das muß ich gleich fotografieren. Für das letzte Gruppenbild des heutigen Tages arrangieren wir uns an dem einzig verbliebenen Schaukeltisch, und die von mir eben zum Feedbackgespräch aus der Küche gebetene Köchin drückt den Auslöser. Cheese!

Hundeschlittentour auf Kvaløya

Donnerstag, 22. März

Kathrin, Mandy, Birgit und Steffen wird’s freuen, daß am Morgen wieder die Sonne scheint und auch für den Rest des Tages feinstes Winterwetter vorhergesagt ist. Denn heute findet das Highlight-Event Nummer zwei (nach der Polarlichter-Sichtung) statt: eine ganztägige Hundeschlittentour.ALT Im Gegensatz zu den ansonsten eher etwas lahmen kurzen Touri-Fahrten wird einem auf dieser Extended Version deutlich mehr „Wuff fürs Geld“ geboten, wie ich in meiner Beschreibung für diesen Programmpunkt der Reise vorab geworben habe. Holger und ich wollen unterdessen unsere mitgebrachten Schneeschuhe zum Einsatz bringen und in der Nähe der Ortschaft Brensholmen an der Küste eine kleine Tour gehen. Wenn alles klappt, wird sich diese Wanderung im Laufe des Tages später noch als sehr nützlich für alle herausstellen. Dazu später mehr.
Die Musher in spe brechen nach dem Frühstück zum Ishavshotel auf, wo die meisten Anbieter geführter Exkursionen üblicherweise ihre Gäste abholen. Da unsere Leute bei der Einweisung und kurz vor dem Start ihrer Tour sicher alle Hände voll zu tun und keine Zeit für irgendwelche Fotos haben werden, fahre ich mit Holger ebenfalls zum Tromsø Villmarkssenter, um diesen Programmteil ordentlich zu dokumentieren. Ab hier schreibt Kathrin weiter:

Wir sind natürlich alle sehr aufgeregt, denn heute werden wir 4 Musher sein. Schon als wir ankommen, wird uns bewußt, daß dies keine normale Tour ist. Wir checken sozusagen im Businessterminal ein. Liegt das daran, daß wir Birgit und Steffen dabei haben, oder hat Chicken die Premiumtour für uns gebucht? Dort sind nur WIR. Das Gebäude ist beeindruckend schön mit Kamin. Hier bekommen wir unsere gut isolierten Overalls ausgehändigt, und die Schuhe sind auch nicht zu verachten.ALT Da ja heute Kaiserwetter ist, könnten die dicken Astronautenanzüge fast zu warm sein. Deshalb entscheiden wir uns alle, die Jacken nur in unserem Schlitten sicherheitshalber mitzuführen. Unsere Haus-und-Hof-Fotografen treffen auch rechtzeitig ein, um das Fertigmachen der Schlitten und die Abfahrt meisterlich zu dokumentieren. Wir spannen natürlich alle selber die Huskies an. Allein das macht schon sehr viel Spaß. Während Holger und Chicken gleich auf einen anderen Ausflug aufbrechen, beginnt für uns einer der aufregendsten Tage unseres Lebens.
Ich versage schon fast bei der Abfahrt: anscheinend bin ich doch zu schwer für die Anzahl der Hunde, die vor meinem Schlitten gespannt sind, so daß ich beim Start (man muß am Anfang mitlaufen) ständig im tiefen Schnee versinke und mir schon nach 100 Metern die Puste ausgeht. Wie soll das nur weitergehen? Bei den anderen klappt das wesentlich besser. Später beruhigt mich der Guide, daß die ersten Schlitten immer mehr zu kämpfen haben – vor allen Dingen, wenn man neu spurt. Puh, das hat mich ein bißchen beruhigt. Zu meinem Glück wird mir ein zusätzlicher Husky vor den Schlitten gespannt. Jetzt werde ich den anderen wohl davon rauschen 🙂
Die Landschaft, in die wir hineinfahren, ist menschenleer und atemberaubend schön.ALT Selten habe ich sowas gesehen. Wir sind die erste Ganztagesgruppe in dieser Saison, so daß wir viele Wege selbst spuren müssen. Aber gerade das macht das Besondere dieser Tour aus. Zur Mittagszeit rasten wir auf einem fast unberührten Plateau. Als der aufliegende Nebel sich verzieht, ist die Aussicht einfach traumhaft. Wir machen ein leckeres Picknick im Schnee mit Sandwiches, Tee und auch Schnaps. Schade nur, daß die Hälfte der Tour schon vorbei ist.
Auf dem Rückweg können wir die Aussicht jetzt so richtig genießen, denn das Anfahren und Lenken klappt schon wie von selbst. Nur Steffen macht nochmal Bekanntschaft mit dem Schnee, als sein Schlitten bei voller Fahrt auf die Seite kippt. Aber ein Profi wie er kann auch das handeln, und er schafft es wieder zurück auf die Kufen. Da Steffen leider ganz hinten fährt, hat keiner von uns seinen Stunt gesehen, geschweige denn dokumentiert. Schade. Auch wir anderen werden noch herausgefordert, als wir kurz vor Ende der Tour auch noch eine “kleine” Klippe mit dem Schlitten runter springen (müssen). Naja: Augen zu und durch. Und dann ist dieser tolle Tag auch schon fast zu Ende. In der Basis treffen wir wieder auf Holger und Chicken und nehmen noch ein kleines Abschiedsessen ein, bevor wir uns auf den Rückweg nach Tromsø machen. Dieses einmalige Erlebnis werde ich nie vergessen.

Nachdem das Bellen der Huskies in der Ferne verklungen und der letzte Schlitten am Horizont verschwunden ist, steigen wir beide wieder ins Auto und fahren Richtung Nordwesten, wo ich mit dem Rest der Gruppe vorgestern schon einmal war.ALT Allerdings ist heute das Wetter wesentlich besser.
Wir parken unseren Mietwagen in Brensholmen beim Joker Markt, etwa einen Kilometer vom Startpunkt unserer Tour entfernt, und laufen gemütlich durch das verschlafene Örtchen. Für die Recherche von Fotospots zur Polarlicht-Beobachtung hat sich Google StreetView bewährt, so daß wir die Stelle, wo der Aufstieg zur Ørnfløya beginnt, ohne Probleme auch im tiefen Schnee finden. Hier war offenbar lange niemand mehr unterwegs. Wir schnallen die Schneeschuhe an stapfen los. Mit Hilfe einer sehr genauen GPS-Karte versuchen wir, dem im Sommer deutlich sichtbaren Wanderweg einigermaßen zu folgen. Dabei gehen wir nach Möglichkeit immer in der Spur des anderen, um den von uns erschaffenen Pfad möglichst gut zu verfestigen.
Nach kurzer Zeit stehen wir auf einem ersten Felshügel, der uns eine Rundum-Orientierung im tiefverschneiten Gelände ermöglicht. Unser Ziel liegt nur etwa dreihundert Meter Luftlinie vor uns, aber jetzt beginnt der etwas schwierigere Teil der Wanderung. Wir müssen versuchen, einen möglichst gut gangbaren Weg über die vereisten Felsen, dichtes Birkenunterholz und am Ufer eines kleinen Sees entlang zu finden und zu „planieren“.ALT Auf diesem soll die komplette Gruppe heute abend auch im Dunkeln und ohne Schneeschuhe sicher laufen können. Vorausgesetzt, die anderen sind heute nach ihrer Tour überhaupt noch so fit.
Schon bald haben wir den Aussichtsfelsen Ørnfløya erreicht. Der Blick Richtung Sommarøy und die vielen weiteren vorgelagerten Inseln ist einfach grandios. Wir picknicken ein paar herzhafte Snacks, Holger trägt uns ins Gipfelbuch ein, und ich fertige ein paar Panorama-Aufnahmen der Szenerie an. Dann beginnt der Rückmarsch, wieder in der Spur unseres eben geschaffenen Pfades. Diese Vierfach-Kompression sollte für heute Nacht eigentlich reichen.
Auf dem Rückweg können wir uns Zeit lassen, denn die anderen sind sicher nicht vor dem späten Nachmittag zurück. Kurz vor der Abenddämmerung treffen Holger und ich an der Wuffi-Basis ein und erwischen den Rest der Gruppe bei Umkleiden. Wir bekommen sogar etwas von dem Bacalao ab, mit dem die Musher am Ende ihrer Tour verköstigt werden. Dann noch eine kurze Besichtigung der Welpenstation, und schon geht’s wieder heim.
Für den Fall, daß heute Nacht alle nochmal raus und in Brensholmen Polarlichter gucken wollen, habe ich uns über GoMore – eine Art AirBnB für Autos – einen günstigen Zweitwagen organisiert. Holger und ich holen den Skoda Octavia an der örtlichen CrossFit-Box ab, während sich die Hundeschlitten-Fahrer erstmal ausgiebig duschen.ALT Gegen halb acht heißt es wieder „Aufbruch“, und wir fahren zum dritten Mal Richtung Sommarøy. An verschiedenen Stellen unterwegs haben sich bereits Fotografen postiert, und die eine oder andere Aurora wabert schon deutlich sichtbar über uns. Aber wir bleiben gelassen, denn das Hauptspektakel beginnt normalerweise erst später.
In Brensholmen angekommen, parken wir die Autos in der Ortsmitte, packen uns warm ein und laufen zum Startpunkt des „Holger-og-Christian-stien“. Die Stirnlampen werden eingeschaltet, und der Marsch bergan kann losgehen. Unsere gewissenhafte Vorarbeit von heute Mittag zahlt sich aus: keine halbe Stunde später stehen wir alle auf dem Felsplateau Ørnfløya und erfreuen uns an der traumhaften Aussicht. Und wie auf Bestellung erscheinen die ersten Polarlichter. Nicht alle an der idealen Position über dem Meer und hinter den vorgelagerten Inseln, aber doch ausreichend viele, um ein paar gute Fotos von diesem Abend zu erhalten.
Leider hat der Wind wieder zugelegt, und nach einer knappen dreiviertel Stunde wird uns so kalt, daß wir den Rückweg antreten. Auf der Heimfahrt halte ich noch einmal kurz in Ersfjordbotn, weil die Aurora-Aktivität wieder stark zugenommen hat. Aber auch hier spielt sich das Ganze in der falschen Richtung ab, und nicht so schön fotogen über dem Fjord. Also Kamera eingepackt und wieder zurück nach Hause. Irgendwann muß es auch mal genug sein. Bei einem relativ kurzen Schlummertrunk endet der vorletzte Reisetag, und kurz nach ein Uhr morgens fallen alle todmüde ins Bett.

Polarlichter über Sommarøy

älter X-T2 Workflow
neuer Wintertour 2019

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