Ankunft bei Schneesturm

“Hauptsache Business Class!” könnte das Motto der diesjährigen Tour lauten. Nicht nur, weil unsere Vielflieger-Kollegen Birgit und Steffen mit von der Partie sind, für die ohne Schampus an Bord nix geht. Diesmal hat das Ganze auch praktische Gründe. Mit dem pro Strecke nur etwa dreißig Euro teureren Ticket können wir jeweils zwei Gepäckstücke und noch die Skiausrüstung extra mitnehmen. Was für einen Winterurlaub recht praktisch ist.

Samstag, 17. März

Dazu müssen wir jedoch erstmal an dem Drachen vorbei, den die Lufthansa heute am Checkin-Schalter platziert hat. Selbst Steffens geballte Charme-Offensive läuft bei der Dame glatt ins Leere. Vermutlich sehen wir in ihren Augen der Business Class unwürdig aus.
Irgendwann ist dann unser gesamter Stapel Gepäck auf dem Transportband gelandet, und wir begeben uns auf die Suche nach der Lounge, denn eine Kleinigkeit essen und trinken würden wir vor dem Abflug gerne noch. Ist ja schließlich bezahlt. Blöd nur, daß die Deluxe-Mitropa in einem komplett anderen Teil des Terminals liegt. ALTEine Viertelstunde sei das zu laufen, teilt uns die Dame an der Info mit. Knappe Stunde bis zum Boarding haben wir noch, das sollte also reichen. Fünfzehn Minuten später stehen wir um einen Tisch herum und stoßen auf ein gutes Gelingen der Reise an. Irgendwann dämmert jemandem, daß wir auf dem Weg zum Gate nochmal durch die Sicherheitskontrolle müssen. Jetzt entsteht doch etwas Zeitdruck, zumal ich mich auf dem Weg dorthin erst einmal ordentlich auf die Fresse lege, weil ich wieder mal zu faul war, mir die Schuhe ordentlich zu binden. Schließlich muß ich sie bei der Kontrolle ja eh gleich wieder ausziehen. Insofern ist es bereits zum zweiten Mal ganz praktisch, daß wir nicht Economy fliegen, denn wir dürfen uns an der kurzen Schlange anstellen. Dadurch schaffen wir den letzten Bus zum Flieger gerade noch rechtzeitig, bevor wir mit der Ansage: “letzter und dringender Aufruf…” öffentlich gedemütigt werden.
Die Crew unserer Maschine ist sehr zuvorkommend, das Essen schmeckt ebenfalls. Einziger Störfaktor während des gut dreieinhalbstündigen Fluges ist der Reiseleiter einer chinesischen Gruppe, der sich mehrfach und in sehr unangenehmer Art bei der Cabin Crew darüber beschwert, daß die gesamte Economy Class nur eine Toilette zur Verfügung hat, aber wir paar Hanseln in den vorderen sechs Reihen ebenfalls eine.ALT Die Stewards bügeln das nervige Geschnatter souverän ab.
In Tromsø herrscht wenig prickelndes Winterwetter. Ein Schneesturm sorgt für ordentliche Turbulenzen im Anflug und schlechte Sicht bis kurz vor dem Aufsetzen.
Unser erster Mietwagen hat derartig große Schrammen, daß wir den ohne Diskussion umgetauscht bekommen, nur leider ist ein Ersatzfahrzeug erst ab Montag verfügbar. Unsere Gruppe teilt sich auf. Steffen und ich fahren mit dem überwiegenden Teil des Gepäcks die alte Schrottkarre zu unserer Ferienwohnung, die anderen nehmen ein Taxi. An der Rezeption des Vermieters die nächste schlechte Nachricht. Unsere Wohnung hat sich gestern einen Wasserschaden zugezogen, und solange der nicht repariert sei, könne man die Bude nicht freigeben.
Unsere Ersatzunterkunft ist zwar etwas kleiner, aber auch sehr komfortabel eingerichtet. Kleine Vorwarnung vom Concierge: über die eine Etage höher wohnende Gruppe von jungen Leuten habe es in den vergangenen zwei Nächten Lärmbeschwerden seitens der einheimischen Nachbarn gegeben. Wenn uns die Lautstärke stören sollte, einfach Rezeption anrufen, die würden die Party gegebenenfalls schnell beenden. Na dann…
So, rumgesessen haben wir heute lange genug. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit für einen kurzen Stadtspaziergang.ALT Die meisten Geschäfte haben noch auf. Wir laufen zum Hafen, wo an der Infotheke der Touristeninformation ein Transgender-Etwas mit dem Namen Anja bedient. Ich kaufe eine Wanderkarte der Umgebung, und dann geht’s schon weiter. Nach zehn Minuten stehen wir vor der vermutlich kleinsten Pølser-Bude in ganz Norwegen. Da ziehen wir uns doch gleich mal heißen Kaffee und ein paar Hot Dogs. Es beginnt nämlich gerade wieder zu schneien und ist insgesamt eher ungemütlich.
Nach ungefähr anderthalb Stunden sind wir wieder zurück im Quartier. Holger, Kathrin und ich fahren nochmal mit dem Auto zum Einkaufen ins Nerstranda-Center. Im dortigen “REMA 1000” bekommt man eigentlich alles. Uns bleibt sogar etwas Zeit, um Produktlabel mit originellen Bezeichnungen zu fotografieren, darunter einen Fruchtaufstrich namens “Fiken”, diverse “Rullekaker” genannte Biskuitrollen und natürlich die klassische norwegische Süßigkeit “Bamse Mums”.
Auch so ein Reisetag kann sich ganz schön ziehen, selbst wenn man nicht viel unternimmt. Richtig große Lust zum Kochen hat heute eigentlich niemand mehr. Deswegen gibt es vielleicht etwas uninspirierte Nudeln mit Tomatensauce, dazu eine Flasche Rotwein.
Unserer Ferienwohnung gegenüber steht ein Haus, dessen Bewohner offensichtlich noch nichts von Gardinen oder gar Vorhängen gehört haben. Von unserem Eßtisch haben wir eine Aussicht, als säßen wir im Sendezentrum der TV-Show “Big Brother”. Nur ist unseren Nachbarn von der anderen Straßenseite offenbar nicht bewußt, daß sie permanent beobachtet werden. Aber nach einer Weile wird dem geneigten Zuschauer auch hier nix Gescheites mehr geboten, und so verziehen sich alle relativ früh ins Bett.

Blick aus unserem Fenster

Sonntag, 18. März

Ein Uhr nachts. Über uns tobt die Party. Nach einer kurzen Runde Schlaf bin ich nun wieder wach. Das Motto der Fete im 3. Stock lautet offensichtlich “Wir brauchen Bass. Bass!”. Ich ziehe auf die Couch im Wohnzimmer um und lese ein wenig. Draußen herrscht wieder dichtes Schneetreiben. Gegen zwei Uhr höre ich plötzlich Schritte im Treppenhaus. Dann Türklingeln und eine energische Ansage auf norwegisch. Die Musik bricht ab, es folgt eine kurze Diskussion, anschließend hektisches Getrappel in der Wohnung über uns. ALTEine halbe Stunde später wieder Schritte mehrerer Personen auf der Treppe, diesmal von oben nach unten. Kurz darauf ist absolute Ruhe. Da haben sich offensichtlich ein paar Anwohner über den Lärm beschwert, und unsere Vermieter haben die Gruppe junger Leute mitten in der Nacht vor die Tür gesetzt. Stark!
Nach wenigstens einer halben Nacht mit ungestörtem Schlaf kommt gegen acht Uhr Leben in die Bude. Die Sonne ist gerade aufgegangen. Kathrin, Birgit und Amanda beschließen, das schöne Wetter auszunutzen und einen kleinen Erkundungsspaziergang durch die Innenstadt zu unternehmen. Frische Brötchen wollen sie besorgen, falls sie einen Bäcker finden. Anderthalb Stunden später sind die Ladies wieder zurück und bringen neben dem angekündigten Backwerk auch intensiv duftende Kaffeebohnen einer lokalen Rösterei namens „Kaffebønna“ mit. Kathrin, die ich beim Thema koffeinhaltige Heißgetränke für durchaus anspruchsvoll halte, ist ganz begeistert von dem Laden. Gemeinsam mit Birgit kündigt sie an, diesen nutzbringenden Morgenspaziergang ab jetzt täglich zu unternehmen.
Nach dem Frühstück sollte eigentlich der Umzug in unser ursprünglich gebuchtes Quartier anstehen. Aber wir müssen uns eine ganze Weile gedulden, da die Techniker noch immer in der Ferienwohnung zu Gange sind.ALT Um die Mittagszeit erfolgt nach zweifacher Mahnung unsererseits endlich der Anruf des Vermieters, daß die Arbeiten abgeschlossen sind und wir unsere Sachen hinüber bringen können.
Gesagt, getan. Und selbst auf dem nur 150 Meter kurzen Fußweg zum neuen Domizil entstehen diverse Fotos. Amandas schwerer Rollkoffer bleibt immer wieder im Schnee stecken, und wie sie so hilfesuchend und verzweifelt auf der Straße steht, erinnert sie die Cineasten unserer Gruppe ein wenig an Bridget Jones. Ihren Spitznamen hat sie nun weg. Und die gesamte Szene muß natürlich zu Vergleichszwecken erst einmal visuell dokumentiert werden!
Beim Umzug packt jeder mit an. Jeder? Fast, so scheint es. Unser lieber Kollege Holger steht zumindest auf den ‘behind-the-scenes’-Bildern immer merkwürdig unbeteiligt und abwesend herum. Die Mädels gackern darüber schon bei der ersten schnellen Betrachtung der Fotos auf der Straße. Jeder, der im weiteren Verlauf des Urlaubs solch passives Verhalten zeigt, wird später – Herrn Schneider zu Ehren – scherzhaft mit dem Titel „Holger des Tages“ gebrandmarkt.
Nachdem unser gesamtes Gepäck an seinem Bestimmungsort angekommen ist, wollen wir endlich etwas Wintersport treiben, denn unter anderem dafür sind wir schließlich hier. Wir ziehen uns um, packen die Skiausrüstung in den Kofferraum und fahren mit dem Auto zum Biathlon-Stadion, wo einige Langlauf-Rundkurse beginnen.
Wegen des dichten Schneetreibens sind heute nur wenige Leute unterwegs. Wir folgen der Hauptloipe Richtung Süden und rasten nach einer dreiviertel Stunde in einer hölzernen Schutzhütte, wo Birgit zur Aufwärmung Tee, Schnaps und süße Snacks reicht. Ab hier teilt sich die Gruppe. ALTHolger und ich kehren zum Auto zurück und fahren damit heim, weil unsere Skier nicht gewachst sind und der feuchte Schnee wie Hubatz an den Laufflächen festpappt. Kathrin, Birgit und Steffen setzen ihren Weg fort, umrunden den See Prestvannet, verlassen in Elverhøy die Loipe und durchqueren auf dem Heimweg die Wohnviertel im Südosten der Stadt.
Bridget hat während unserer kleinen Tour einen weiteren Rundgang durch Tromsø absolviert und wartet zu Hause auf uns. Nachdem alle Ankommenden eine warme Dusche genommen haben, machen wir uns stadtfein und gehen wieder Richtung Downtown, um ein Restaurant zum Abendessen zu suchen. Lange dauert das nicht, denn das ‘Paris des Nordens’ hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten. So stehen wir dann eine halbe Stunde später vor dem „Barents Sea“, einem auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisierten Laden, der sogar noch einen Tisch frei hat. Das Personal ist locker, das Essen lecker – bis auf das Gericht von Holger. Der ist mit seinem Elch-Döner wegen der vielen darin enthaltenen Preiselbeeren nicht so ganz glücklich geworden. Nach dem Bezahlen der Rechnung trinken wir am Ausgang alle noch „one for the road“ – einen Aquavit mit leichten Gin-Noten, der in den Lyngen Alpen destilliert wird. Nicht übel.
Gut gestärkt wollen wir natürlich noch nicht gleich heim und spazieren eine Runde durchs nächtliche Tromsø. Ich laufe unterwegs noch einmal kurz zu Hause vorbei, um meine Kamera und das Stativ zu holen. Am Hafen, direkt neben dem Museum „Polaria“, entstehen dann trotz des usseligen Schneetreibens recht brauchbare Gruppenfotos. Nach einer halben Stunde Posieren sind wir dann aber doch gut durchgefroren und gehen heim. Bei einer Flasche Wein im Wohnzimmer endet der erste vollständige Reisetag.

Gruppenfoto am Hafen

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