
Downtown Tromsø
Montag, 27. Februar
Dritter Reisetag. Weil das Paula gestern so gut gefallen hat, gehen wir direkt nach dem Frühstück heute wieder Schlitten fahren. Allerdings sind wir diesmal nicht alleine am Rodelhang, sondern eine Abordnung des nahegelegenen Kindergartens ist mit von der Partie. Die Bahn ist also voll, und wir müssen gelegentlich aufpassen, daß wir die zeitweise etwas unaufmerksamen kleinen Querschläger nicht im unteren High-Speed-Teil volle Lotte wegballern. Weil die Kids gar so knuffig sind, spiele ich hin und wieder Zugmaschine und nehme die kleinen Nachwuchs-Wikinger auf meiner Matte bei der Bergfahrt mit. Eine Win-Win-Situation, denn auch die fittesten Kinder haben irgendwann keine Lust mehr aufs ständige Hochkraxeln, und ich kann dafür bei ihnen mein Basic Norwegisch anbringen. In einer wilden Mischung aus meinen rudimentären Sprachkenntnissen unseres Gastlandes, etwas Deutsch und viel Englisch gelingt uns gemeinsam mit den Erziehern ein wenig Smalltalk darüber, wer wir sind, woher wir kommen, was wir hier wollen usw.
Kurz vor Mittag sind wir wieder für einige Zeit alleine, bevor Paula auf die Idee kommt, die gestern begonnene Stadtrundfahrt heute zu komplettieren. Den ersten Stop legen wir am Folkemuseum ein und laufen durch das parkartige Gelände bis zum Ufer des Tromsøysundes. Hier finden wir eine vielversprechende Stelle zum Fotografieren der Nordlichter. Die Telegrafbukta kann man von unserem Haus aus recht schnell zu Fuß erreichen. Die merke ich mir gleich mal vor. Zurück auf dem Parkplatz sorgt haushoch zusammengeschobener Schnee für Begeisterung. Weiter geht’s.
Obwohl ich mir gestern im Supermarkt reichlich Kujambeln für die Fütterung der nimmersatten Parkuhren im Stadtgebiet habe geben lassen, fahren wir zunächst am Zentrum vorbei. Im etwas östlich davon befindlichen Kreuzfahrerhafen liegt heute ein großer Vergnügungsdampfer am Kai vertäut. Da müssen wir hin, denn wir wollen Johannes ein schönes Foto davon schicken. Das Auto wird im Gewerbegebiet nebenan geparkt. Paula und ich sprechen eine Ausrede ab, was wir hier zu suchen haben, weil wir falls uns Wachpersonal zurückpfeifen sollte. Aber niemanden interessiert, daß wir beiden hier im Betriebsgelände herumstapfen, aufgestellte Absperrzäune beiseite schieben und wild herumfotografieren. Wir wirken wohl mit unseren umgehängten Kameras wie die Touris, die gerade vom Dampfer gestiegen sind und werden in Ruhe gelassen.
Nachdem wir unser Erinnerungsfoto im Kasten haben, fahren wir zum Mittagessen nach Hause. Heute Abend ist wieder Ausgehen angesagt, da sparen wir tagsüber etwas Kohle und vertilgen die restlichen Pizzas von gestern. Nach einer Runde Siesta mit Lesen und Tablet spielen brechen wir am Nachmittag noch einmal auf in die Stadt. Ich habe mir gewünscht, mit der Seilbahn hoch auf den Hausberg zu fahren, um von dort aus das ultimative Tromsø-Foto für meine Bildergalerie aufzunehmen. Sehr erfreulich: die Bahn wurde im letzten Jahr komplett modernisiert und kann ihre beiden Kabinen jetzt auch asynchron auf Reisen schicken. Angesichts des großen Andrangs durch die Kreuzfahrt-Touristen an der Talstation ein sehr willkommenes Feature. Normalerweise fährt die Seilbahn im Halbstundentakt, aber heute verläßt alle 10 Minuten eine Gondel die Station. Wir kommen also zügig hoch und stapfen ein paar hundert Meter durch knietiefen Schnee bis zur Plattform, von der aus man die bekannte Panorama-Aussicht hat. Leider ist das Wetter nicht mehr so prachtvoll wie während des Nachmittags. Wolken ziehen auf, und kalt ist es auch, also brechen wir nach einer halben Stunde wieder auf zur Bergstation.
Wieder auf Meeresniveau angekommen, fahren wir rüber auf die Insel Tromsøya, denn wir wollen Essen gehen. Ich habe mir heute das Lokal „Rå Sushi“ ausgesucht, laut übereinstimmender Nutzerberichte der beste Ort für rohen Fisch in Tromsø. Ich bestelle mir eine große Platte namens „Rå Fangst“ mit 17 verschiedenen Stücken drauf. Paula nimmt eine mittlere Auswahl von vegetarischem Sushi und zwei Yakitori-Spieße, weil ihr die Zusammenstellung ihrer Platte doch etwas zu experimentell scheint. Das macht zusammen mit vier alkoholfreien Getränken umgerechnet rund 100 €. Ich bin ja mit den Kosten fürs auswärts Essen in Norwegen vertraut, aber hier muß selbst ich sagen: „Holla the Forest-Fairy!“
Sonnenuntergang, vom Hausberg aus beobachtet
Dienstag, 28. Februar
Heute steht mit einer Schneemobiltour in den Lyngen Alpen das zweite geplante Event an. Unser Guide soll uns am Ishavshotel im Stadtzentrum abholen. Wir melden uns kurz beim Fahrer des Shuttlebusses ab und fahren dann mit unserem eigenen Auto los. Das hat den Vorteil, daß wir nach der Tour noch ein wenig die Gegend erkunden können. Das Ziel ist Lenangen auf der Lyngen-Halbinsel. Zunächst einmal müssen wir 50 Kilometer bis zur Fähre in Breivikeidet zurücklegen, die die Überfahrt nach Svensby in knapp 20 Minuten schafft.
Auf dem Schiff fallen die Teilnehmer des „Dental Arctic Race“ negativ auf. Deutsche Zahnärzte auf einer sogenannten Fortbildungsfahrt zum Nordkap. Aufgezogen als Autorennen und vermutlich mit freundlicher Unterstützung führender Unternehmen aus der Medizinbranche. Fremdschämen für prollige deutsche Landsleute ist angesagt. Nach der Ankunft am anderen Ufer des Ullsfjordes heißt es: „Folge dem weißen Kaninchen Bus.“ Die weitere Fahrt zur Basis unseres Tourenanbieters führt durch wunderschöne alpine Landschaft. Bis zu 1800 m hohe Berge, die direkt aus dem Meer emporragen. Ein Traum.
Am Basecamp eingetroffen, werden wir bereits erwartet und müssen sofort in fette Overalls und dicke Winterstiefel reinschlüpfen, was uns wie Michelin-Männchen aussehen läßt. Nachdem ich Paula einmal im Scherz als „Polly Pinguin“ bezeichnet habe, kann ich weitere Fotos mit ihr drauf glatt vergessen. Das junge Fräulein ziert sich ab jetzt und wendet sich ab, weil sie keine Walroß-Bilder von sich haben möchte.
Es folgt eine kurze Einweisung in die Steuerung der Schneemobile. Diese sind zwar speed-reduziert auf ca. 35 km/h, aber die Tour macht trotzdem Spaß, weil niemand Angst hat und permanent auf der Bremse steht. Der erste Teil der Fahrstrecke führt durch Birkenwald auf ein kleines Plateau mit Ausblick auf den Sør-Lenangen-Fjord. Während der kurzen Pause wendet mir Paula immer sofort den Rücken zu, sobald sie mich mit Kamera in der Hand erblickt. Aber bereits nach 5 Minuten geht es weiter, stets leicht bergauf und durch lichte Birkenvegetation. Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir eine breite Hochebene mit herrlichem Ausblick auf den Ullsfjord. Vermutlich ist das eine top Location für Polarlicht-Fotos. Hier rasten wir eine ganze Weile, werden mit heißem Tee und Kuchen verköstigt und können ausgiebig fotografieren. Selbst von meiner Tochter gelingen mir in einem unbeobachteten Augenblick ein paar brauchbare Bilder zur Erinnerung.
Die Rückfahrt zur Basis dauert eine weitere halbe Stunde. Hier steht das Mittagessen bereits auf dem Tisch. Es gibt Spaghetti mit Tomatensauce. Eine sichere Bank und Garant für ordentlichen Gewinn auf Seiten des Camp-Betreibers. Hier wäre für uns Gäste sicher mehr drin gewesen. Aber zumindest macht es satt und eignet sich als Eisbrecher-Thema für Gespräche mit den anderen Touristen.
Aus der Reihe „Irgendwas ist immer“: Während des Aufbruchs bleibe ich beim rückwärts Ausparken mit dem Auto im Straßengraben neben der engen Auffahrt hängen. Trotz Allradantrieb habe ich mich in eine tiefe, mit Schnee zugewehte Kuhle eingegraben. Unser Wagen weist eine recht bedrohliche Schräglage auf, da lasse ich Paula mal lieber auf der Beifahrerseite, die sich jetzt oben befindet, rausklettern. Ohne fremde Hilfe kriegen wir hier die Kuh nicht vom Eis. Zwei Räder hängen in der Luft, die anderen haben keine Traktion, aber schnell ist jemand jemand vom Personal zur Stelle und zieht mich mit seinem Auto raus. Das ganze Prozedere dauert keine zehn Minuten, ruft in mir aber unangenehme Erinnerungen an die verpatzte Rampenfahrt in Nusfjord 2015 wach.
Auf dem Rückweg haben wir noch viel Zeit für Fotos von unterwegs. Zu unserer linken Seite liegt ein beeindruckendes Panorama mit mehreren Bergen, darunter der Lenangstind, mit 1625 Metern der fünfthöchste Berg der Lyngen Alpen. Ständig muß ich anhalten und aussteigen zum Knipsen. Hoffentlich kommen die Bilder später im Fotobuch wenigstens einigermaßen rüber.
Während der Rückfahrt mit der Fähre chillen wir ein wenig und genießen die Aussicht auf die kleiner werdenden Berge. Und wieder wird mir bewußt, welches Glück wir bislang hatten. Abgesehen von ein paar kurzen Schneeschauern eigentlich nur perfektes Winterwetter. Auf dem Weg nach Hause erleben wir schöne warme Farben beim Sonnenuntergang. Kurz vor Tromsø halte noch einmal oberhalb der Straße für ein Bild des Abendhimmels.
Heute essen wir zu Hause: Salat mit Huhn, damit es schnell geht, denn für gleich sind Polarlichter vorhergesagt. Wir fahren nach dem Diner zum Folkemuseum, stellen das Auto ab und laufen durch den Park zur Telegrafbukta, wo wir gestern auf einer Landzunge einen guten Platz für die Beobachtung der Auroren ausgemacht haben. Hier treffen wir einen Landsmann aus Bayern, der auf den Felsen gerade seine Kamera einrichtet, und dann beginnt auch schon die Lichtshow.
In einer kurzen Dunkelpause nehmen wir einen Standortwechsel vor. Paula und ich laufen zum nahegelegenen Bootssteg, bevor bereits nach ein paar Minuten wieder neue Nordlichter am Himmel auftauchen. Herrlich. Auch mein Töchterlein ist begeistert. Interessante Bildeffekte ergeben sich durch Lage der Bucht im Endanflug der Runway 01. Auf manchen meiner bis zu 20 Sekunden lang belichteten Fotos sind Leuchtspuren von Flugzeugen kurz vor der Landung zu sehen. Sehr schick. Mit dem heutigen Abend haben wir das wichtigste Ziel der Reise erreicht. Nordlichter gesehen: Check!
Paula ist etwas kalt, aber mir zuliebe hält sie tapfer durch. Auf dem Heimweg stoppen wir noch einmal an der Bucht vom ersten Abend und laufen zur Wasserkante, für ein paar Experimente mit der Stirnlampe und den großen Felsbrocken im Flachwasser in Ufernähe. Der kurze Fußmarsch hat Polly so weit wieder aufgewärmt, daß sie eine weitere halbe Stunde in der Kälte schafft. Da hat sie sich ein paar Süßigkeiten bei unserer Rückkehr aber wirklich verdient. Während ich die ersten Bilder aussortiere und mich dabei über die Qualität der neuen Kamera freuen kann, telefoniert meine Tochter mit den Leuten daheim, die eben vom Karneval aus Köln zurück gekommen sind.
Nordlichter über dem Tromsøysund

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