
Stockfischgestelle in Tind
Freitag, 22. Februar
Die lange Nachtruhe hat gut getan. Nach 11 Stunden erholsamen Schlafes fühle ich mich deutlich besser. Ich höre zwar immer noch Mono, aber bei einem Druckausgleich-Versuch scheint mir das erste Mal etwas Bewegung ins rechte Ohr zu kommen. Es trifft sich gut, daß das Wetter heute richtig schön werden soll, weil Kathrin gerne nach Reine und Å möchte, wo sie mit Gert vor etwa 10 Jahren schon einmal war. Anne Gerd wird heute das Abendessen für alle Gäste kochen, da sind wir fein raus und können uns für die Inselrundfahrt richtig Zeit lassen, denn mittlerweile ist es abends bis etwa 17 Uhr noch hell.
Obwohl ich mir vornehme, die Anzahl der Fotohalte auf der Hinfahrt nach Reine möglichst gering zu halten, wird aus dem Vorhaben nichts, denn unterwegs warten einfach zu viele schöne Motive. Darunter solche, die mir so noch gar nicht aufgefallen waren, aber Kathrin sofort ins Auge springen. Also tue ich ihr den Gefallen und halte immer an, wenn sie „Stop“ schreit. immerhin erreichen wir Reine etwa eine halbe Stunde, bevor die tiefstehende Sonne hinter dem Hausberg verschwindet und den Ort komplett im Schatten versinken läßt. Wir fotografieren ausgiebig die gelben Holzhäuser auf Sakrisøy und schaffen sogar noch die obligatorischen „Ich-war-hier“-Touristenfotos am großen Parkplatz mit der tollen Aussicht. Aber irgendwann ist auch hier lichttechnisch nichts mehr zu holen, und so fahren wir weiter nach Westen, bis Å. hier ist im Winter ebenfalls tote Hose. Also sparen wir uns die ausführliche Ortsbegehung und machen uns auf den Rückweg. Kurz nach unserer Abfahrt beginnt die untergehende Sonne ihren Sinkflug auf die Inseln Værøy und Røst, was die hiesige Küstenlandschaft in ein herrlich warmes Abendlicht taucht. Also wird in Sørvågen noch mal ein Fotohalt an einer Stelle eingelegt, die ich heute auch zum ersten Mal sehe und gedanklich gleich in meine Karte der guten Fotospots als „perfekte Sicht auf Å“ eintrage.
Zurück auf „unserer“ Insel ist die Sonne schon wieder so weit herum gewandert, daß die Strände an der Westküste noch ein bißchen oranges Licht abbekommen. Also heißt der nächste Halt Haukland Beach. Hier ist alles tief verschneit. Und an den wenigen Stellen, wo nicht, gefährlich vereist. Das Eis an sich wäre ja nicht das Problem, aber eine dünne Wasserschicht macht es praktisch zum Abenteuer, darauf gehen zu wollen. Aber was tut man nicht alles für ein paar stimmungsvolle Fotos. Wir versuchen unser Glück noch auf der anderen Seite der Bergkette – in Uttakleiv, aber hier ist die Sonne schon zu tief, um noch ein paar Strahlen auf den Strand projizieren zu können. Was bedeutet, daß wir uns auf die Suche nach denselben begeben müssen und die mächtig vereiste alte Küstenstraße in Richtung Westen entlang laufen, bis wir um den Berg herum sind. Kathrin gelingen einige wenige Aufnahmen vom sich im Eis spiegelnden Sonnenlicht, aber in den paar Sekunden, die ich brauche, um mein Equipment aufzubauen, verschwindet die Sonne komplett hinter den aufziehenden Wolken. So geht denn ein schöner Tag zu Ende.
Wieder im Haus angekommen, ist Anne Gerd bereits am Kochen. Heute soll es Rentier mit Pfifferlingen in Sahnesoße geben. Alle Gäste sind eingeladen. Außer uns wohnen diese Woche noch zwei junge Leute aus Singapur mit im B&B. Die Frau spricht sehr gutes Englisch und ist zudem nicht auf den Mund gefallen, so daß ich fast ein wenig bedauere, die beiden an den vorangegangenen Abenden mehr oder weniger links liegen gelassen zu haben. Ist sonst nicht meine Art, gerade im Urlaub, aber mit meinem Hör-Handicap war mir einfach nicht nach Reden. Schon blöd, wenn man seine eigene Stimme durch das Innere seines Schädels hört, in schlechter Qualität und auch noch total übersteuert. Aber – oh Wunder! – die Tabletten scheinen ihre Wirkung zu entfalten, denn so langsam kommt wieder Bewegung ins verstopfte rechte Ohr und somit auch etwas Akustik zurück. Was bin ich erleichtert! Während die asiatischen Gäste sich nach dem Diner außer Haus begeben, um einen – wie sie selbst sagen – schwachen Versuch zu unternehmen, das Nordlicht zu spotten, bleiben wir daheim und schauen mit Anne Gerd Fotos von gemeinsamen Aktivitäten unserer Familien aus den vergangenen Jahren an. Irgendwann übermannt mich die Müdigkeit, und der Abend nimmt ein jähes Ende. Morgen sind wir den ganzen Tag unterwegs, da würde ich gerne ausschlafen.
Kathrin in Reine
Samstag, 23. Februar
Die letzte Nacht unserer Reise werden wir auf dem Festland verbringen. Das war ursprünglich nicht so geplant, aber im Hause Lind herrscht mitunter dicke Luft, die durch die Anwesenheit der ältesten Tochter erzeugt wird. Ich möchte zumindest am Packtag komplette Harmonie und habe deshalb das nagelneue Rica-Hotel in Narvik ausgesucht. Auch deshalb, weil mir dessen Architektur gut gefallen hatte, schon als es noch im Bau war, darüber hinaus ist es von dort nur eine Stunde bis zum Flughafen nach Evenes – verglichen mit 3,5 eine echte Verbesserung. Wir halten noch einmal in Svolvær, wo Kathrin noch letzte Mitbringseln in Gestalt zweier großer Poporutschen mitnimmt. Einen der üblichen Sightseeing-Spots, die Statue der Fischersfrau am Hafen, besuchen wir auch noch kurz. Dabei fällt uns die Insel Lilla Molla auf, die sich heute sehr fotogene Wolken wie eine Stola umgelegt hat. Im Licht der auch zum frühen Nachmittag tiefstehenden Sonne ein echter Hingucker. Es geht weiter auf der E 10, und jetzt regnet es sich richtig ein. Bis Narvik bleibt das Wetter so usselig, und im Schutze des feuchten Dunstes traut sich bei Evenes eine Elchgang so nah an die Straße ran, daß ich noch ein Foto davon machen kann, bevor die Tiere wieder im Birkenunterholz verschwinden. Gegen halb sechs kommen wir an unserem Ziel an. Das Hotel besticht durch seinen modernen skandinavischen Stil, unsere Zimmer sind klein, aber mit guter Aussicht auf Narvik und nagelneuer hochwertiger Ausstattung. Das möchte aber auch sein bei einem Hotel, das als Standardpreis für ein Einzelzimmer umgerechnet 160 Euro pro Nacht aufruft. Im Restaurant „Tind“ im Erdgeschoß gönnen wir uns noch ein 3-Gänge-Menü lokaler Spezialitäten, sehr hochwertig. Den Abend lassen wir in der Sky-Bar im 16. Stock bei ein paar Cocktails mit Sicht auf die Stadt ausklingen.
Narvik
Sonntag, 24. Februar
Heute passiert eigentlich nicht mehr viel. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit toller Auswahl am Büfett packen wir unsere Sachen und checken im Hotel aus. Jetzt noch eine Stunde Fahrt bis Evenes, und dann geht der Urlaub so langsam zu Ende. Am Baggage-Drop Schalter wird das Ende jedoch um etwa 20 Minuten hinausgezögert. Irgendwie scheint der Drucker kaputt zu sein – ein Problem, das das anwesende Personal kalt erwischt. Die Schalterbeamten würde ich nicht zu der Generation zählen, die mit Computern groß geworden ist. Über das Alter des skandinavischen Kabinenpersonals hatte ich mich ja früher bereits geäußert. Aber während die Stewardessen von SAS wenigstens so aussehen, als stünden sie kurz vor der Rente, machen die hiesigen Funktionskräfte den Eindruck, als wären sie noch nach Jahren aus ihrem wohlverdienten Ruhestand zurück geholt worden. Aber mit vereinten Kräften wird das Problem gelöst, und vielleicht als Ausgleich muß ich für meinen, zugegebenermaßen echt schweren, Koffer heute kein Übergepäck bezahlen. Na, das hat sich doch mal so richtig gelohnt…
Beim Zwischenstop in Oslo decke ich mich mit einem Halbjahresvorrat an Schokolade ein. 7 Kilo, das muß bis zum Sommer reichen. In Frankfurt noch kurz ein Schreck, weil Kathrins Koffer nicht auf dem Gepäckband ist. Aber eine kurze Intervention beim Lost&Found-Schalter klärt das Problem auf: Ihr Gepäck wurde versehentlich einem anderen Band zugeordnet und kommt dann auch wenige Minuten später an selbigem heraus. Und ohne weitere Zwischenfälle geht diese tolle Winterreise zu Ende…
Statue ‚Fiskarkone‘ in Svolvær

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