
Blick von Svolvær nach Lille Molla
Donnerstag, 16. Februar
Heute fahren wir hinüber auf die Lofoten, um noch ein paar Tage mit Winteraktivitäten bei Anne Gerd zu verbringen. Während auf dem Festland das Wetter noch einigermaßen heiter ist, ziehen auf dem Weg zu den Inseln immer mehr Wolken auf, die ordentlich Schnee ablassen. Auf den Straßen ist der Winterdienst pausenlos im Einsatz. Ich staune immer wieder über die LKW-Fahrer, die trotz verschneiter Pisten wie die gesengten Säue fahren – gerade so, als ob die Gesetze der Physik, insbesondere die der Reibung und der Fliehkraft, für sie gar nicht oder nur zum Teil gelten würden.
Unsere Herbergsmama hat gerade Besuch von Ihrer Freundin Mona bekommen, die auf der anderen Seite des Sees wohnt. Die Stimmung ist getrübt: Anne Gerd trägt sich schon lange mit dem Gedanken, ihr Bed & Breakfast zu schließen – auf Drängen einiger Nachbarn, die bereits mit Klage gedroht haben, falls sie den Betrieb weiterführen sollte. Wie soll sie sich entscheiden? Einen Prozeß riskieren (denn die rechtlichen Bedingungen lassen das Geschäftsmodell B&B in ihrem Haus durchaus zu), oder des lieben Frieden willens aufhören – obwohl das Klima in der Nachbarschaft sicher schon ansatzweise vergiftet ist? Im Haus vorn am Parkplatz notiert die Beschwerdeführerin vom Fenster aus bereits unser Autokennzeichen sowie die An- und Abfahrtszeiten der eintreffenden Gäste. Wie die Stasi. Gruselig.
Für zwei Tage ist ein belgisches Ehepaar zu Gast bei Anne Gerd. Eigentlich wollten die beiden mit der Hurtigruten weiter nach Kirkenes, haben sich aber zum spontanen Zwischenstop auf den Lofoten entschlossen. Gemeinsam wandern wir zum Berg “Linken”, um die schöne Aussicht auf Svolvær zu genießen. Jeder hat eine Kleinigkeit zum Essen mitgebracht, so daß wir ein spontanes Picknick im kniehohen Schnee einlegen können. Von unserem Rastplatz aus sehen wir, daß im Westen das Wetter noch ein wenig besser ist als hier, also schlage ich vor, zurück zum B&B zu laufen und von dort aus mit dem Auto noch mal nach Kabelvåg zu fahren. Dirk geht derweil allein in Downtown Svolvær nach Mitbringseln schauen.
Weiter westlich, in Henningsvær, scheint die Abendsonne. Dort müssen wir hin! Wir stellen das Auto an der Feuerwache ab und laufen zum ehemaligen Leuchtturm. Heute ist der aber in Privatbesitz, so daß man an dieser Stelle nicht bis ganz an die Klippen heran kommt. Zumindest nicht im Winter. Zu glatte Felsen. Trotzdem gelingen uns sein paar Bilder im schönen Licht. Da die Belgier dieses Mal nur einen Tag Zeit haben, ergreife ich die Gelegenheit, ihnen noch ein paar schöne Ecken der Lofoten zu zeigen. Mittlerweile geht die Sonne unter, und wir fahren weiter zur Kirche nach Gimsøya, die wir zur blauen Stunde erreichen. Dank des Schneefalls der vergangenen Tage liegt der Friedhof wie unberührt da. Ich bin begeistert. Mittlerweile ist es kurz vor 5, die Sonne ist weg, und wir genehmigen uns noch einen Kaffee im Clubhaus des Golfplatzes in Hov. In einem Nebenraum ist ein Modell der Insel aufgebaut, wie sich die ambitionierten Tourismus-Investoren die derzeit noch erfreulich abgelegene Gegend in Zukunft vorstellen. Au weia! Unterhalb des Hovden soll ein Hotel entstehen, das sich in diese Landschaft etwa so harmonisch einfügt wie der KdF-Bau Prora auf Rügen. Damit nicht genug: Mitten im heutigen Naturschutzgebiet soll ein ganz neuer Flughafen für die Lofoten entstehen.
Boeing-737-taugliche Landebahn, ganzjährig und bei jedem Wetter anfliegbar, so lauten die Vorgaben. Angeblich führt die norwegische Flugsicherung bereits Langzeit-Windmessungen durch. Da bin ich aber mal sehr gespannt auf die Ergebnisse…
Zum Abendessen haben sich Anne Gerds Freundin Mona vom See und ihre bezaubernde Tochter Ranveig angesagt, seit sie gehört haben, daß heute Tom Kha Gai (Hühnersuppe mit Kokosmilch und Zitronengras) gekocht wird. Zutaten gibt’s frisch in Svolvær. Als Nachtisch servieren wir Moltebeeren mit Eis, und danach meinen mitgebrachten Williams-Christ-Birnenbrand aus Dresden. Der kommt bei allen Gästen sehr gut an, und nach einigen Runden haben wir richtig tolle Stimmung am Tisch.
Sonnenuntergang am Leuchtturm in Henningsvær
Freitag, 17. Februar
Heute schneit es wieder so richtig dicke. Mittlerweile ist die Situation problematisch, daß wir alle paar Stunden Anne Gerds Terrasse freischaufeln müssen, damit deren Holzgestell nicht unter der Schneelast zusammenkracht. Dirk nutzt die Gelegenheit und baut aus dem Abraum im Garten Hauses einen Schneemann, der prompt auf den Namen Norge Norgensen getauft wird. Am Nachmittag gehen wir mit unserer Gastgeberin noch ein wenig in Svolvær spazieren. Ein paar ‚Füllbilder‘ für unser geplantes Fotobuch dieser Reise möchte ich noch schießen, denn solche Schneemassen habe ich hier noch nicht erlebt. Das muß schließlich fotografisch dokumentiert werden. Wir laufen also rüber zur Insel Svinøya und suchen nach potentiellen Motiven. An der Mole ist Schluß, wir kehren um und gehen wieder heim. Ein heißer Kaffee und ein paar Zimtboller kommen uns gerade recht zum Aufwärmen, dann müssen wir schon so langsam unsere Taschen packen. Am Abend wollen wir nämlich bereits in Richtung Festland aufbrechen. Wegen des für die Nacht und den Morgen angekündigten starken Schneefalls haben wir uns zu einer Übernachtung in der Nähe des Flughafens Harstad/Narvik entschlossen. Sicher ist sicher. Der Winterdienst ist zwar pausenlos im Einsatz, aber ein Bekannter von Anne Gerd, der dort arbeitet und den wir eben bei unserem Rundgang durch Svolvær getroffen haben, erzählt uns, daß sie mit so viel weißer Pracht lange nicht mehr zu kämpfen hatten.
Auf der Fahrt zum Festland werde ich in Laupstad auch noch gelasert – ein toller Abschluß! Meine 62 km/h innerorts, bei denen die deutsche Polizei nicht mal mit der Wimper zucken würde, bringen dem norwegischen Staat umgerechnet 400 Euro ein. Der Polizist entschuldigt sich fast noch für das hohe Bußgeld, aber ich könne mir ja denken, daß es happig werden würde, weil ja in Norwegen alles in wenig teurer sei. Nette Geste der Aufmunterung, hilft mir aber nicht weiter. Immerhin verläuft der Rest der Fahrt zum Hotel ohne Zwischenfälle.
Im Hotel hat offensichtlich niemand mehr mit Gästen gerechnet, den Concierge müssen wir erst anrufen, bevor er uns die Bude aufschließt. Zu Essen gibt’s nix mehr. Wir düsen also nochmal schnell zur Tanke und versorgen uns mit ein paar herzhaften Snacks, die wir später im Zimmer verspeisen. Dazu gibt’s norwegisches Fernsehprogramm mit englischen Untertiteln. Und draußen schneit es immer noch…
Am Abreisetag machen wir auf dem Rückweg einen kurzen Abstecher nach Oslo Downtown, um Mittag zu essen und 5 Stunden Langeweile am Flughafen zu umgehen. Das war’s. Bis zum nächsten Urlaub im hohen Norden.
letzter Spaziergang über Svinøya

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