
Grundkurs im Cross Country Skiing auf dem Torneträsk
Wie jedes Jahr in der Karnevalszeit, wenn meine Familie in Köln kollektiv dem Wahnsinn anheimfällt, nutze ich die Gelegenheit, möglichst weit weg von all dem Trubel meine Akkus wieder aufzuladen. Was könnte es also Schöneres geben, als im hohen Norden Europas ein paar Tage auf Wander- und Fototour zu gehen? In diesem Jahr ist mein Kollege Dirk wieder mit dabei. Wir fahren für drei Tage nach Abisko im schwedischen Teil Lapplands, um die Gegend etwas näher kennenzulernen und vielleicht ein wenig Wintersport zu treiben. Anschließend verbringen wir noch 4 weitere Tage auf den Lofoten in Anne Gerd’s Bed & Breakfast, worauf ich mich schon sehr freue.
Dienstag, 14. Februar
Nach der ersten Übernachtung in Narvik brechen wir frühmorgens auf, um über die Berge rüber ins schwedische Abisko zu fahren, wo wir in der Fjellstation für den Vormittag eine Skitour gebucht haben. Mit zwei Guides und vier englischen Hausfrauen geht’s auf Cross-Country-Skiern hinunter zum Ufer des zugefrorenen Torneträsk. Wir frischen nochmal einige “Antriebstechniken” auf und umrunden dann in einer gut zweistündigen Tour eine der im See liegenden Inseln. Tolle Eisformationen gibt’s unterwegs zu bestaunen, und dazu immer mal wieder dumpf knackende Geräusche wie von einer entfernten Unterwasser-Explosion. Ansonsten herrscht hier draußen totale Stille – sehr angenehm.
Dirk und ich beschließen, unsere Skier noch bis zum Abend zu behalten, weil wir nach einer kurzen Pause an der Touristenstation noch eine weitere Tour entlang des Abiskojåkka gehen wollen. Wir trinken einen heißen Kaffee und essen ein paar Kekse in der Lobby, bevor wir uns von den beiden Guides verabschieden, um auf der anderen Seite der Bahnstrecke Kiruna-Narvik eine Loipe am Fluß zu suchen. Hier gibt es einige Rundkurse für Langläufer in traumhafter Landschaft. Einer davon führt zu einem Wasserfall, der vermutlich derzeit gefroren ist. Sollte das ein Eiskletter-Spot sein? Wir wollen es herausfinden. Also dann: Auf geht’s. Langsam beginnt die Abenddämmerung und erinnert uns daran, daß wir besser umkehren sollten, wenn wir nicht im Dunkeln zurück zur Touristenstation irren wollen. Leider erreichen wir unser Ziel, den gefrorenen Wasserfall, nicht mehr, weil das Gelände doch relativ hügelig ist und wir nicht allzuschnell vorwärts kommen.
Auf dem Rückweg rennt uns fast noch eine lokal ansässige Elchkuh vor die Ski. Wie aus dem Nichts springt sie plötzlich aus dem Gebüsch und zeigt überhaupt keine Scheu vor uns. Nach Minuten gegenseitigen Belauerns beginnt das Tier, die Birken anzuknabbern, zieht bald darauf ab ins Unterholz, und wir können die Tour fortsetzen.Leider haben wir vergessen, das Abendessen im Restaurant der Station zu reservieren, und so sind wir gezwungen, uns in Downtown Abisko etwas zu suchen, wenn wir nicht über eine Stunde darauf warten wollen, daß hier vielleicht ein Tisch frei wird. Wir finden einen mehr als angemessenen Ersatz in der Abisko Mountain Lodge, wo hochwertige regionale Produkte auf der Speisekarte stehen und eine gar liebliche Kellnerin uns das hervorragende Essen serviert. Besonders lecker aber ist das selbstgebackene Brot in allerlei Variationen, das uns immer wieder nachgereicht wird, wenn wir eine Schüssel leergegessen haben. Die Wirtin freut sich, daß es uns schmeckt und ist nicht sauer, obwohl wir’s permanent nachordern. Weil es uns hier gut gefällt und das Essen vorzüglich war, reservieren wir gleich für morgen noch einmal.
Jetzt aber genug gefuttert! Zurück zur Station, warme Sachen angezogen (die Außentemperatur beträgt -22°C), und dann mit geschultertem Foto-Equipment noch mal runter zum See gelaufen. Denn wir sind ja auch hier, um ein paar Fotos vom Polarlicht zu machen, das mittlerweile am Himmel über Abisko gut sichtbar herum wabert. Als wir an der Station losgehen, fallen mir die vielen Touristen auf, die im Hof des streulichtverseuchten Gebäudekomplexes versuchen, die Auroren zu fotografieren. Hier wird das wohl kaum von Erfolg gekrönt sein.
Aber ich sehe schon die vielen Nikon-Kameras und winke innerlich ab: Wer so einen Schrott kauft, dem ist nicht mehr zu helfen. Unten am See hingegen findet man ideale Bedingungen, um das Nordlicht in seiner ganzen Pracht zu aufzunehmen. Kein Streulicht von irgendwelchen Gebäuden, 360° Rundumsicht (wenn man ein paar Meter aufs Eis hinaus läuft), und Reflexionen durch den Schnee, der die Landschaft bedeckt. Und immer ist in irgendeiner Himmelsrichtung etwas los. Manchmal kann ich gar nicht so schnell die Kamera drehen, wie sich neue Auroren bilden.
Zurück in der Station sortiere ich die Fotos, während sich Dirk runter in die Lobby auf die Suche nach dem WLAN macht. Nach einiger Zeit kommt er wieder hoch: ich solle mal ins Kaminzimmer kommen, da wären ein paar junge Mädels, die auch noch das Polarlicht fotografieren wollten, aber nicht so recht mit ihrer Canon- Ausrüstung klar kämen.
Iryna und Yumiao, die in der Schweiz irgend etwas mit Hotel studieren, haben gute Kameras, aber kein Stativ dabei, und so biete ich Ihnen an, zusammen noch mal zum See zu gehen und mit meiner Ausrüstung ein paar brauchbare Bilder für ihr Reisealbum zu schießen. Die Damen sind für -20°C Außentemperatur zwar recht luftig angezogen, halten aber tapfer durch und werden mit einigen recht ordentlichen Aurorafotos belohnt. Jetzt aber schnell wieder zurück zur warmen Station, dann werden in der Lounge noch schnell die Bilder kopiert, und danach kann auch ich endlich ins Bett gehen. Dirk schläft schon; der Tag war ja auch lang.
Nordlichter über Abisko
Mittwoch, 15. Februar
Auch der zweite Reisetag ist vollgepackt mit Action. Vormittags findet an einem gefrorenen Wasserfall im Abiskojåkka der Eiskletter-Kurs statt. Guide Fredrick erklärt uns zunächst Ausrüstung und die richtige Technik, bevor sich Dirk und ich selbst am Eis versuchen können. Wir sind heute die einzigen Teilnehmer und haben dementsprechend viel Zeit, um – immer per Seil gesichert – den Wasserfall über verschiedene “Routen” zu erklimmen. Gar nicht so leicht, sich mit zwei spitzen Äxten einen Halt ins Eis zu schlagen, an dem man sich dann hochziehen kann. Jeder von uns schafft zwei Aufstiege, während der jeweils andere fotografiert. Nach der Pause mit heißen Getränken versuche ich noch eine dritte Runde, aber mir steckt der gestrige Ski-Tag noch in den Armen. Also wieder runter, noch ein paar Fotos geschossen, und dann zurück zur Station, weil wir am Nachmittag ja noch mehr Programm auf der Agenda stehen haben. Nicht daß wir noch hetzen müssen, sind ja im Urlaub. Wir bekommen im Shop noch einen heißen Kaffee und ein paar Kekse, die wir als Ersatz-Mittagessen in der gemütlichen Lounge der Station verzehren.
Schwedisch Lappland kann im Winter mit einer ganz besonderen Touristenattraktion aufwarten: dem Eishotel am Fluß Jukkasjärvi. Knappe zwei Stunden Fahrzeit laut Navi, das kriegen wir gerade noch unter, bevor wir uns heute abend wieder in der Abisko Mountain Lodge zum Essen einfinden müssen, an welches sich die Auffahrt zur Aurora Sky Station anschließen soll. Nach einem kurzen Snack zum Mittag geht’s los, zunächst für etliche Kilometer am Ufer des Torneträsk entlang nach Kiruna, und von dort aus noch mal eine Viertelstunde Richtung Osten. Die Landschaft unterwegs ist faszinierend, aber etwas monoton. Zum Fotografieren jedenfalls taugt sie nicht besonders.
Wäre der Titel “Bitterfeld des Nordens” nicht schon an Narvik vergeben, stünde mit Kiruna noch ein weiterer geeigneter Anwärter darauf bereit. Weithin sichtbar sind die rauchenden Schlote und die riesigen Abraumhalden der Minen, wo schon seit über 100 Jahren Eisenerz gefördert wird. Naja, schön ist anders.Etwa 25 Kilometer östlich von Kiruna liegt das Eishotel, direkt am Fluß Jukkasjärvi. Jedes Jahr wird es im Herbst an derselben Stelle von neuem aufgebaut und bleibt bis zum Frühjahr stehen, wo es dann einfach wegschmilzt. Das aktuelle trägt die Seriennummer 22 und ist tagsüber für Besucher – gegen Zahlung eines üppigen Eintrittspreises – geöffnet. Der Aufbau des Mega-Iglus ist eigentlich in jeder Saison gleich: es gibt neben Funktionsräumen wie Bar, Gästelounge und Aussichtsterrasse (auf dem Dach) und den normalen, sagen wir mal: eher zweckmäßig eingerichteten Zimmern auch die sogenannten “Art Suites”, wo sich Künstler aus aller Welt der Innenarchitektur gewidmet haben.
Das Design dieser Suites ändert sich jedes Jahr. Coole (!) Räume. Mein Favorit ist heute das Zimmer mit der Nummer 335 “Kraken’s Lair”, das ganz in Blau gehalten und mit ganz vielen kleinen Lampen sehr stimmungsvoll beleuchtet ist. Aber richtig gut schlafen könnte ich bestimmt in keinem der hiesigen Gemächer. Dafür sind sie einfach zu kalt, und etwas müffeln tun sie leider auch – was wohl an den über die Eisbetten ausgebreiteten Rentierfellen liegt, die der besseren Wärmeisolierung für die Schlafgäste dienen.
Seit kurzem wirbt der schwedische Tourismusverband mit der Aussicht auf Polarlicht für die Gegend um Abisko. Dafür hat man auf dem Nuolja die “Aurora Sky Station” errichtet, die einen phantastischen Blick über den Torneträsk, Lapporten und das umliegende Gebiet bietet. Um die Bergstation komfortabel und auch im Dunkeln sicher erreichen zu können, wird abends für einige Stunden noch mal der Sessellift eingeschaltet. Wir haben für heute zwei Plätze gebucht, denn die maximale Personenzahl, die pro Abend auf den Nuolja hochfahren darf, ist aus Sicherheitsgründen auf 70 begrenzt, und an den vergangenen Tagen waren schon alle Slots weg. Obwohl wir bereits sehr warme Kleidung tragen, legt uns der Liftführer nahe, doch noch die bereitliegenden Polar-Overalls drüber zu ziehen. Ein guter Tip, wie sich wenig später herausstellt, denn die Bergfahrt dauert, auch wegen der kurzen Sicherheitseinweisung für jeden Fahrgast beim Einsteigen, über eine dreiviertel Stunde. Sonst kommt man bei -20°C schon gut angefrostet oben an. Vor der Abfahrt lautet noch die obligatorische Frage “Canon or Nikon?”, und auf die (einzig richtige) Antwort “Canon” erwidert der Liftführer: “Allright, then I’ll be still your friend when you return.”
Während sich die eisigen Temperaturen unten im Tal bei Windstille noch relativ gut aushalten lassen, ist es hier oben doch recht ungemütlich. Ständig wehen feine Schneekristalle durch die Luft und dringen in die Ritzen der Bekleidung. Mein Stativ muß ich mit dem Körper vor dem Wind schützen, damit meine Bilder nicht allzusehr verwackeln. Dazu rennen ständig irgendwelche Honks mit Taschenlampen durchs Bild, die ihre Kameras offensichtlich nicht im Dunkeln bedienen können. Bestimmt Nikonbesitzer. Die können einfach nichts richtig…
Nach anderthalb Stunden habe ich genug Fotos, und wir fahren vor dem zu erwartenden Massenansturm auf den Lift wieder ins Tal hinab. Diesmal fast ohne Stocken, und auf der gut zwanzigminütigen Fahrt bekommen wir noch mal eine tolle Lichtshow geboten.
Zurück in der Station der Schock: Aus dem Zimmer wurden während unserer etwa zweieinhalbstündigen Abwesenheit mein Laptop und mein Smartphone (die sich zum Aufladen auf dem kleinen Schreibtisch befanden) sowie mein Ehering und etwas norwegisches Reisegeld geklaut. Geklaut! Hier in Schweden! Ich fasse es nicht: in einem Land, das ich neben Norwegen für das sicherste der Welt gehalten hatte, kommen meine Sachen abhanden. Mein bis dahin heiles Skandinavien-Bild bekommt einen ordentlichen Knacks weg. Auch die Rezeptionistin Sara, der ich am nächsten Morgen meinen Fall schildere, ist total schockiert. So etwas ist hier noch nie vorgekommen. Nach der Anzeige bei der schwedischen Polizei spreche ich mit dem Manager der Station, der sich um die Klärung der Versicherungsfrage kümmern will. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Kiruna am Abend

Kommentare sind deaktiviert