10 Mrz 2014 Wintertour 2014, Teil 2
Mittwoch, 5. März
Gegen 8 werde ich wach. Die innere Uhr funktioniert wie geschmiert, wenn man Kinder hat. Adrian geht es ähnlich. Schönes Wetter draußen. Das schreit nach einer Outdoor-Aktivität. Aber nichts geht ohne vernünftige Stärkung. Darum gehen wir gegen 9 erst mal alle rüber ins Haupthaus zum Frühstück. Der Vorschlag unseres Lappland-Kenners Herrn Schæpsson lautet: kleine Wandertour auf dem Kungsleden, der in Abisko beginnt. Immer entlang des Flusses, so weit die Füße tragen. Guter Plan.
Sachen gepackt, Proviant in den Rucksack, Fotoequipment an die Sherpas verteilt und los geht’s. Wir kommen gut voran. Nein. Wir kämen gut voran, wenn nicht immer wieder Dreharbeiten und Fotohalte unseren Lauf unterbrechen würden. Aber man muß halt Opfer für die Kunst bringen. Nach etwa 6 Kilometern erreichen wir eine Hängebrücke über den Nissonjåkka, einen der Zuflüsse des Abiskojåkka, an dessen Ufer wir heute ständig unterwegs sind. Kurz dahinter ist eine offizielle (überdachte) Rast- und Feuerstelle in die Landschaft eingelassen, aber die lassen wir links liegen und suchen uns einen Picknickplatz für echte Männer, direkt am Flußufer. Adrian hat auf dem Weg bereits einiges an Brennmaterial gesammelt und geschlagen, so daß nach kurzer Zeit ein gar lustig Feuerchen am Wasser lodert. Ich stelle die Kamera auf Zeitraffer-Aufnahme und setze mich dann zu den anderen dazu. Es gibt heißen Tee mit Aquavit, die restlichen Hefezöpfe und was wir sonst noch so in der Küche zusammengekehrt haben. Aber schon nach kurzer Zeit sind wir wieder beschäftigt. Während Lukas die GoPro für ein paar Unterwasseraufnahmen präpariert, kriechen Micha und ich auf dem Eis herum, um ein paar Makrofotos zu schießen bzw. – in Michas Fall – einen Weg zu finden, dem Eis destruktiv zu Leibe zu rücken. Ein großer Felsbrocken kommt gerade recht. Ein paarmal kräftig ausgeholt und fertig ist die neue Badestelle auf der Flußmitte. Top!
Auf dem Rückweg fällt irgendwann mal jemandem auf, daß Adrian und ich mit unseren leuchtend grünen bzw. roten Jacken aussehen wie die Ampelmännchen. An diese kurze Feststellung schließt sich folgerichtig eine halbstündige Fotosession an. Auch Lukas kriegt ein paar Poserfotos von sich geschossen, dann geht es aber endgültig wieder zurück zur Hütte. Wir wollen heute selbst kochen und müssen noch einkaufen. Der örtliche Coop-Markt ist recht gut sortiert, es gibt sogar Bier. Oder… Moment mal – Nein! Nur wieder die dünne Plørre. Aber ich gebe mich nicht so schnell geschlagen und setze die Suche fort. Muß doch irgendwo… Was ist das denn? Ich glaube es nicht: Staropramen! Tschechisches Bier. Das ist es! So, schnell mal die Flasche umgedreht und das rückwärtige Etikett studiert… Den unteren Teil kann ich schon nicht mehr klar erkennen, weil mir Tränen in die Augen schießen. Die haben doch tatsächlich das gute Pivo auf den ortsüblichen Alkoholgehalt von gerade mal 3,5% herunterverdünnt. Sakrileg!
Wir nehmen ein paar Sixpacks des lokalen “Norrlands Gull” mit, das wahrscheinlich “Nordlandgülle” heißt. So weit reichen meine Schwedischkenntnisse gerade noch. Passen würde es jedenfalls. Was brauchen wir noch? Spaghetti, Tomatensauce, Kjöttbullar und kleine Snacks für die Wanderungen. Daheim angekommen, kochen Adrian, Lukas und Micha schon mal das Essen, während ich am Rechner die Einzelaufnahmen der heutigen Zeitraffer-Sequenzen zusammensetze. Herr Schæpsson checkt beim Essen noch kurz die Polarlicht-Aktivität. Sieht spitze aus, vom Nordkap kommt ordentlich Himmelsfeuer heruntergewirbelt. Heißt für uns: hastiger Aufbruch, und heute nicht den ganzen Weg zum See runter gelaufen – sonst verpassen wir am Ende noch was. Wir kämpfen uns im Dunkeln durch einen vereisten Pfad hin zu der Stelle, die ich im letzten Jahr mit Kathrin entdeckt und für gut befunden habe. Hier oben kommt kaum jemand her, sie liegt einigermaßen windgeschützt, und auch Streulicht der Straße reicht nicht bis hier hin. Aber das Beste ist – wie Lukas, der alte Militarist, bemerkt – daß man von hier oben im Bedarfsfall den Ho-Chi-Minh-Pfad, auf dem sich die ganzen Fotografen zum See runter bewegen, unter Artilleriefeuer nehmen könnte, um mögliche Konkurrenten im Kampf um das beste Nordlichtfoto nachdrücklich zum Aufgeben zu bewegen. Ich habe jedoch schon in der Station wieder viel Nikon-Krempel gesehen und winke ab. Das gibt eh nix. Mörser und Granaten bleiben heute unangetastet. Irgendwann im Laufe des Abends gelingt uns – eher aus Versehen – ein wirklich brauchbares Gruppenfoto bei einer der Langzeitbelichtungen. Kurz vor Mitternacht bricht dann auch die letzte Aurora in sich zusammen, und wir gehen heim in unsere kuschelige Hütte. Bilder aussortieren, Feierabendbier, Gute Nacht.