Wintertour 2014, Teil 1

Unterwegs auf den Lofoten

28 Feb 2014 Wintertour 2014, Teil 1


Sonntag, 2. März

Nachdem wir gestern schon einen Abstecher in Richtung Südwesten unternommen haben, ist es heute Zeit für die etwas größere Touri-Runde. Gemeint ist natürlich die klassische Inselrundfahrt über Flakstadøya und Moskenesøya mit ihren vielen bekannten Bilderbuch-Ansichten.
Wir halten zunächst noch einmal auf der Höhe des Storfjordvatnet, weil beim gestrigen Actionvideo-Dreh der Akku der am Auto befestigten GoPro-Kamera leider noch vor dem ersten Take seinen Geist aufgegeben hatte. So viel zur gründlichen Vorbereitung. Aber heute klappt alles, und die Szene “Arctic Race 24/7, die vierzigste” ist endlich im Kasten. Am Ostufer des Sees treffen wir auf ein älteres Paar aus den Niederlanden, die sich vom recht rasanten Anflug unseres polnischen Fahrers auf ihren Standort wohl etwas provoziert fühlen. Aber seine Exzellenz, Chefdiplomat Lukas Richard Bartholomaeusz Gorski III., kann dank geschickt gestreuter  Lobhudeleien auf unser westliches Nachbarland die aufbrandenden Wogen psychischer Erregung schnell wieder glätten. Micha und mir fällt sofort die opulente fototechnische Ausstattung des Duos ins Auge: Canon EOS 1 irgendwas, das neue 24-70/2.8 II und vor allem eine große weiße 600er Tüte, die ob ihrer Ausmaße bereits ab Werk mit eigenem Sherpa ausgeliefert wird – da schauen wir mal genauer hin. Für den Kram gibt’s daheim in Deutschland schon einen VW Polo mit Vollausstattung. Die beiden Holländer werden uns im Laufe der Reise noch mehrmals über den Weg laufen.
Erst einmal fahren wir jetzt aber weiter nach Nusfjord. Seit 1975 Weltkulturerbe der UNESCO und seit 2011 gebührenpflichtig. Allerdings nur im Sommer, wenn hier massenweise Touristen per Bus hin gekarrt werden. Im Winter hat man den knuffigen Ort meistens für sich alleine. Heute immerhin fast, denn außer uns sind noch ein paar der üblichen japanischen Weihnachtsbäume unterwegs. Warum die Weihnachtsbäume heißen? Man stelle sich einen kleinen asiatischen Menschen vor und versuche nun, an diesen so viel Fotoequipment  – aber bitte nur vom Feinsten – dranzuhängen, bis er von alleine umfällt. Kurz vor dem Kippmoment sieht er aus wie ein mit Kugeln und Lametta geschmückter Christbaum. Ich sollte auf der nächsten Reise einfach nur diese Truppenteile fotografieren. Da käme sicher ein skurriler Bildband heraus.
Ich filme heute und darf mir darum immer mal wieder hämische Bemerkungen von Micha anhören, wenn ich zu einem dieser obligatorischen Urlaubsschwenks ansetze. Extra deswegen wird ab jetzt den gesamten Tag lang geschwenkt und gedreht, bis mir schwindelig wird und die Leute beim Anschauen unseres Reisefilmchens auf großem Fernseher nach der Spucktüte verlangen. Irgendwann ist auch Nusfjord motivtechnisch ausgelutscht, und wir begeben uns auf die Weiterfahrt. Nächster Stop ist Hamnøy, perfekte Nachmittagssonne macht das Knipsen zum Vergnügen. Für Reine sind wir ein paar Minuten zu spät, da der Ort wegen des hohen Berges auf seiner Südwestseite bereits wieder im Schatten liegt. Hier gibt es gerade nicht viel für uns zu holen. Also noch 10 Kilometer weiter bis Å gefahren, dort einmal angetippt und wieder zurück nach Reine. Hier stehen die typischen roten Rorbuer in solch einer Konzentration herum, daß es eigentlich ein paar brauchbare Motive geben sollte. Micha wird fündig, Lukas probiert das Teleobjektiv aus und ich halte ein Schwätzchen mit dem aktuellen Pächter der Hüttenanlage. Hat mal wieder gewechselt, das exzellente Restaurant “Gammelbua” ist auch noch bis Mai geschlossen. Na toll! Die Fülle schlechter Nachrichten wird kompensiert durch den Hinweis, daß das schwedische Paar, das vorher den Betrieb gepachtet hatte, Ende dieses Jahres ein eigenes Lokal direkt gegenüber eröffnen will. Das höre ich gerne, denn diese beiden waren sehr kreative Köche und sind mir mit ihren eigenwillig kombinierten Gerichten aus überwiegend lokalen Ingredienzen in angenehmer Erinnerung geblieben.
Heute statten wir dem “Blomster”-Café einen Besuch ab und werden nicht enttäuscht. Wenn irgendwo auf der Welt eine Bäckerin im Tine-Wittler-Format einen Laden führt, muß man da mal probieren. Die sollte es drauf haben. Wir wärmen uns bei Kuchen und Kaffee auf und treten eine halbe Stunde später gut gestärkt die Heimreise an. In Skagsanden auf Flakstadøya wird noch einmal ein Foto- und Filmhalt eingelegt – wo gut und gerne 10 Fotografen “rummachen”, muß es doch was zu sehen geben. Ein kurzes “Goedendag!” und “Konnichiwa!” an die Runde – wieder mal sind wir auf alte Bekannte getroffen.
An diesem gut erreichbaren Strand ist immer etwas los. Vormittags waren hier noch Surfer unterwegs, jetzt sind es die Fotografen. Auch wenn mir nicht immer ganz klar ist, was die hier eigentlich knipsen. Es gibt ein paar lustig blubbernde Wasserlöcher im Sand, die mich entfernt an Mini-Ausgaben isländischer Geysire erinnern. Am westlichen Rand fließt ein fotogener Bach ins Meer, im Osten liegen große Felsbrocken herum, die tolle Blickfänger abgeben, aber gerade unsere schlitzäugigen Freunde laufen komplett woanders rum. Was fotografieren die bloß? Bevor wir uns bei der Suche nach der Antwort auf diese elementare Frage unseres Seins den Kopf zerbrechen, nehmen wir das Heft des Handelns wieder in die Hände und drehen eine lässige Action-Sequenz für unsere Reisedoku. Lukas hat schon seit einiger Zeit einen Narren an Michas Stativ gefressen und benutzt das nun als – Zitat – “geile Wumme”, mit der er in einer großartigen schauspielerischen Einzelleistung die Landung polnischer Gebirgsjäger an der Küste bei Narvik im Frühjahr 1940 nachstellt. Ich bin begeistert, so daß wir die Szene gleich mehrfach filmen.