28 Feb 2014 Wintertour 2014, Teil 1
Nachdem ich in den vergangen Jahren schon mit einzelnen ausgesuchten Kolleginnen und Kollegen im Winter in den hohen Norden Europas geflogen bin, begleiten mich dieses Mal gleich drei Leute. Mit meinem Kollegen Lukas fliege ich zunächst zu zweit auf die Lofoten. Dort stößt dann einen Tag später mein Kumpel Micha dazu. Einige Tage drauf, für den zweiten Teil der Tour, in Abisko im schwedischen Teil Lapplands, hat sich Kollege Adrian angemeldet. Diese Truppe verspricht eine sehr lustige Reise, auf die ich mich schon wie Bolle freue.
Donnerstag, 27. Februar
Zeitig aufstehen ist nicht mein Ding. Aber wer sich wie wir eine bestimmte Anreiseroute zu den Lofoten in den Kopf gesetzt hat, muß eben auch Opfer bringen. Also schalte ich den Wecker um 3 Uhr aus, um eine halbe Stunde später aufzubrechen und Lukas abzuholen. Kurz nach halb sechs treffen wir am Frankfurter Flughafen ein: Auto parken, und dann durch die Sicherheitskontrolle. Kaum eine Handvoll Reisende sind um diese Zeit hier, und so ist denn auch das Security-Personal recht entspannt und geradezu unheimlich freundlich. Allerdings wird dann an der Schleuse doch mein mühevoll gepackter Rucksack seziert, weil die Alu-Röhren meiner Glidecam auf dem Röntgen-Foto wie eine Gatling-Gun aussehen. Jetzt noch schnell etwas zum Frühstück eingeworfen, und dann heißt es auch schon „Boarding“.
Wir verschlafen einen großen Teil des traumhaft ruhigen Fluges nach Oslo, wo derzeit wie wild gebaut wird. Bis 2017 soll hier ein dritter Pier entstehen, der die Kapazität des Flughafens deutlich nach oben schrauben könnte. Wieder mal darf ich am obligatorischen Security-Check meinen Rucksack auspacken. Aber schon nach kurzem Aufenthalt geht es weiter nach Bodø. Ein gerade mal anderthalbstündiger Flug bringt uns in die Hauptstadt der Region Nordland. Kurz vor dem Aufsetzen können wir rechts unter uns das Hurtigrutenschiff „Polarlys“ ausmachen, das uns später auf die Lofoten hinüber bringen soll. Nach der Landung haben wir noch reichlich Zeit, um ein paar erste Filmaufnahmen zu machen. Nicht daß Bodø besonders reizvoll wäre – es ist eine eher funktionelle Stadt – aber ein paar Clips will ich noch vor der Abfahrt gedreht haben. Nach kurzem Fußmarsch zum Hafen checken wir auf dem Schiff ein, packen unsere Koffer in den Gepäckraum und gehen erst mal hoch ins Restaurant. Was wir jetzt brauchen, sind ein Burger und ein Bier.
Pünktlich um 15 Uhr legt das Schiff ab und nimmt Kurs auf den Westfjord und die dahinter liegenden Lofoten. Wir nehmen auf dem geschützten Aussichtsdeck am Heck des Schiffes Platz, weil jetzt auch die Sonne unter den Wolken durchgetaucht kommt und die Landschaft in warmes Abendlicht taucht. Nur wärmen kann sie nicht mehr, und so sitzen wir richtig dick eingepackt im Liegestuhl und genießen den Anblick des hinter uns kleiner werdenden Festlandes. Draußen auf dem Vestfjord kommt ordentlich Dünung von der Seite, so daß das Schiff ein wenig ins Rollen gerät – aber mit ein paar Schlucken aus dem Flachmann läßt sich das gut aushalten. Die Sonne verschwindet derweil unter dem Horizont, und da es jetzt außer viel Wasser eine Zeitlang nichts zu sehen geben wird, verziehen wir uns in den Salon. Lukas macht ein Nickerchen, und ich stöbere im Hurtigruten-Bordmagazin nach Fotos von mir. Und tatsächlich: Ein Bild von 2008, das die MS „Lofoten“ bei der mitternächtlichen Raftsund-Passage zeigt, hat es auf eine halbe Seite geschafft. Ich bin stolz wie Bolle.
Gegen 19 Uhr erreichen wir Stamsund, wo uns unsere norwegische Gastmama Anne Gerd direkt am Kai abholt. Noch kurz warten auf zwei andere Passagiere, und dann geht’s ins Gästehaus. Außer mir sind noch zwei weitere Hobbyfotografen anwesend, da ist der Gesprächsstoff gesichert. Die Gastgeberin hat zur Feier des Tages für alle gekocht: Dorsch mit Ofenkartoffeln, karamelisierten Rosmarin-Möhren und Sahnesauce. Na, läuft doch! Lukas und ich fahren nach dem Diner noch mal nach Leknes in den Supermarkt, weil wir Marschverpflegung (für morgen) und noch ein paar Feierabendbiere (für heute) kaufen wollen. Der erste Teil ist kein Problem, allerdings wird uns von Chefkassierer Ola Norgensen an der Kasse das ohnehin auf homöopathischen Alkoholgehalt verdünnte Bier auch noch direkt wieder abgenommen. Gerade bin ich noch so am Überlegen, was „Ey hömma, Spozzfreund“ auf norwegisch heißt, da kommt auch schon die Erklärung: abends um 8 – zu spät dagewesen! Selbst das Biersurrogat darf wochentags nur bis 18 Uhr verkauft werden, an Samstagen gar nur bis 16 Uhr. Ein spontanes Besäufnis am Wochenende ist demnach hier oben nicht drin. Wir fahren getränketechnisch unverrichteter Dinge zurück ins Gästehaus und setzen uns wieder zu den anderen dazu, die inzwischen überaus gründlich und präzise – wie seinerzeit der deutsche Generalstab den Angriff auf Polen – die morgigen Fototouren quasi auf der großen Weltkarte vorausplanen. Naja, das ist nicht so mein Style, bei mir müssen die Bilder eher so nebenbei mit abfallen. Stundenlang irgendwo herumstehen und auf einen bestimmten Sonnenstand warten, geht – gerade mit fotografisch unambitionierten Begleitern – einfach nicht. Und schließlich gehen bei mir irgendwann gegen Mitternacht die Lichter aus. Ich verziehe mich in mein Zimmer. Noch eine Nachricht auf dem Handy: was kann das sein? Kollege Adrian mit dem Hinweis, daß heute Nacht wieder starke Auroren zu sehen sein sollen. Also Klamotten wieder an und raus in den Garten, wo ich noch ein Foto vom Gästehaus schießen kann. Leider wird das gut sichtbare Nordlicht durch Wolken verdeckt. Und so endet die Fotosession bereits nach einer halben Stunde mangels verwertbarer Lichteffekte am Nachthimmel.