01 Sep 2016 Lofoten 2016, Teil 2
Freitag, 22. Juli
Johannes ist heute Morgen ein bißchen schwermütig. Am Abend müssen nämlich auch wir den Lofoten Lebewohl sagen, denn dann treten wir unsere lange Heimreise nach Kiel an. Bis dahin haben wir aber noch reichlich Zeit, um das schöne Wetter auszunutzen und zu zweit noch ein paar Stunden draußen zu verbringen. Anne Gerd hat im Haus noch reichlich zu tun, denn es werden neue Gäste erwartet, und auch ein paar Ausbesserungsarbeiten an der Fassade stehen an. Sie holt nach dem Frühstück einen Bekannten ab, der ihr dabei helfen wird und überläßt uns anschließend ihr Auto.
Mein Sohn wünscht sich noch einmal Frisbee-Spielen am Strand von Vinje, weil das vor zwei Tagen großen Spaß gemacht hat. Also auf nach Gimsøya, heute aber auf der Nebenstrecke auf der „Innenseite“ unserer Insel. Hier sind die Straßen weniger voll, und vielleicht entdecke ich noch das ein oder andere Fotomotiv. Nach einer Stunde erreichen wir unser Ziel. Das Wetter ist ähnlich sommerlich wie gestern, wir haben schon wieder 22 Grad Außentemperatur, dazu weht eine leichte Brise aus südlicher Richtung bei wolkenfreiem Himmel. Natürlich ist darum der Strand nicht so menschenleer, wie wir das normalerweise gewohnt sind. Gerade ist eine große Gruppe Chinesen angekommen, die im Sand picknicken und sich in allen erdenklichen Posen und Konstellationen fotografieren. Wir laufen ein paar Schritte Richtung Gimsøy, hier ist es gleich deutlich ruhiger. Eine Gruppe Reiter auf Islandpferden passiert uns, was ich für meine Tochter sofort auf Fotos festhalten muß.
Nach einer Weile verlieren wir allerdings beide die Lust am Spiel und trotten wieder zurück zum Auto. Etwas Obst wird ausgepackt und verzehrt, danach reicht es uns beiden an diesem Ort. Wir fahren weiter. Ein kurzer Besuch in Hovsund und Spaziergang über die Mole schließen sich an, aber zu unser beider großem Bedauern liegt hier heute kein toter Wal herum, und so fahren wir am frühen Nachmittag nach Hause zurück. Eine letzte Ruderpartie über den See Storfjordvatnet steht an. Danach beginne ich mit dem Kofferpacken, während Joe ein letztes Mal die Angel auswirft. Anne Gerd kocht noch einmal für uns alle, es gibt Nudeln mit Rentier-Ragout und Salat. Als Dessert noch selbstgebackenen Kuchen, das macht für eine Weile satt.
Kurz vor 22 Uhr müssen wir endgültig aufbrechen. Am Hafen angekommen, ist bereits das Schiff zu sehen. Wir haben wieder die „Midnatsol“ erwischt. Während sie am Kai anlegt, sagen wir unserer Gastgeberin Anne Gerd Goodbye. Obwohl beim diesjährigen Besuch nicht immer alles so harmonisch wie früher lief, fällt uns der Abschied schwer. Besonders schade finde ich, daß ich noch keinen geplanten Termin für die nächste Lofotenreise habe. Johannes und ich suchen uns oben im Panorama-Salon zwei bequeme Sitzbänke, auf denen man sich später auch zum Schlafen ausstrecken kann. Um halb elf legt das Schiff ab. Und immer noch ist es taghell…
Samstag, 23. Juli
„So, jetzt aber mal Ruhe im Puff!“ möchte ich am liebsten rufen, nachdem im Salon auch nach Mitternacht noch keine Stille eingekehrt ist. Aber klar, draußen schien bis eben noch die Sonne, und wenn die ganzen Gäste aus aller Welt einmal bei einem gemütlichen Glas Wein zusammensitzen, muß man Milde walten lassen. Immer dran denken: es könnte das letzte sein. Jedenfalls bei der großen Masse der anwesenden Greise tickt die Lebensuhr schon etwas unrund, um es mal ein wenig salopp zu formulieren.
Aber kurz vor ein Uhr morgens haben sich dann auch die letzten ausdauernden Trinker in ihre Kabinen verzogen, und so langsam kehrt Ruhe ein. Johannes hat sich auf der Bank lang gelegt, ich habe mir eben noch ein Schlummifix-Bier an der Bar gezogen und genieße jetzt ungestört die Aussicht auf das große Nichts namens Vestfjord. In zwei Stunden soll die Hurtigruten schon wieder in Bodø anlegen. Da sie dort noch bis 4:30 Uhr festgemacht bleibt, brauchen wir noch nicht sofort von Bord gehen, sondern können unsere Mütze Schlaf noch ein wenig vergrößern. Gut für uns, denn der Flughafen öffnet erst um fünf seine Pforten. Ein Taxi bringt uns hin, denn wir beide haben keine Lust, unsere Koffer am frühen Morgen quer durch die Stadt zu ziehen.
Am Airport müssen wir weitere 2 Stunden warten, bevor unser Flug in die norwegische Hauptstadt startet. Kurz vor 7 Uhr hebt unsere Maschine ab. Den ruhigen Flug verschlafen wir beide fast vollständig. Von der Landung in Oslo bis zur Abfahrt unserer Fähre nach Kiel haben wir noch reichlich Zeit. Johannes zuliebe nehmen wir trotzdem den Raketenzug ins Stadtzentrum. Der ist aber auch einfach zu stylish! Den Hauptbahnhof erreichen wir gegen halb zehn.
Hier weht ein herrlicher Duft nach frischen Backwaren durch die Halle, und prompt meldet sich der Appetit auf Frühstück. Die reich belegten Baguettes bei Upper Crust lassen wir uns direkt vor Ort schmecken.
Jetzt brauchen wir nur noch 5 Stationen mit der Straßenbahn zu fahren, dann noch knapp einen Kilometer laufen, und schon sind wir am Color-Line-Terminal. Die Fähre hat zeitgleich mit unserer Landung in Oslo angelegt und soll um halb drei ihre Rückreise nach Deutschland antreten. Im Augenblick verlassen die Passagiere das Schiff, entsprechendes Gewusel herrscht im Ankunftsbereich. Wir suchen uns einen ruhigen Platz in einer abgelegenen Ecke des Gebäudes und machen es uns erst einmal bequem. Johannes darf ein paar Runden mit dem Handy spielen, während ich uns an einem der Schalter gegenüber schon mal einchecke.
Was er nicht weiß: seine Begeisterung über die coole Kabine auf der MS „Midnatsol“ bei unserer Wintertour 2015 fand ich so süß, daß ich auch für diese Reise unsere Unterkunft an Bord auf 5-Sterne-Niveau aufgewertet habe, und zwar auf eine Suite im vorderen Schiffsteil, in deren verglastem Erker man gemütlich sitzen und auch bei schlechtem Wetter die vorbeiziehende Landschaft in Ruhe genießen kann. Wie weise diese Wahl war, wird sich später noch zeigen. Besonders vorteilhaft ist augenblicklich erst mal der Umstand, daß das Boarding für diesen Kabinentyp zwei Stunden vor allen anderen beginnt, man also dem Massenandrang (gerade in der Hochsaison) etwas entgehen kann. In unsere Kajüte dürfen wir zwar noch nicht gleich, weil sie gerade noch hergerichtet wird, aber die Wartezeit können wir uns in der Bar im hinteren Schiffsteil, wo ein kostenloses Buffet aufgebaut ist, einigermaßen kommod vertreiben. Ich schmökere in einem meiner Bücher und Joe daddelt noch ein wenig auf dem Smartphone, bevor ihm auch das zu langweilig wird und er sich auf kurze Erkundungstour durch das Promenadendeck begibt. Verlaufen kann er sich auf dieser Ebene eigentlich nicht, also lasse ich hin ziehen und genieße die Ruhe. Allerdings hält diese nicht lange an, denn ungefähr zehn Minuten später ist er zurück und muß mir natürlich sofort seine wichtigste Entdeckung vermelden: den Bordshop. Prospekte hat er auch gleich mitgebracht und widmet sich nun deren Studium.
Endlich kommt die Lautsprecherdurchsage, daß wir jetzt unsere Kabinen beziehen können. Wir packen unsere Sachen zusammen und fahren auf Deck 10 hoch. Johannes darf aufschließen und kriegt sich beim Betreten unserer Suite kaum ein vor Begeisterung. Genau wie auf der „Midnatsol“, ein Traum geht in Erfüllung! Ich überlasse ihn seiner Freude für ein paar Minuten und gehe mich erst einmal duschen. Nachdem sich auch mein Sohn auf diese Weise etwas aufgefrischt hat, gehen wir runter ins SB-Restaurant zum verspäteten Mittagessen. Von meiner ersten Fährpassage mit der Color Line – damals noch auf der alten MS „Kronprins Harald“ – habe ich das opulente Buffet in angenehmer Erinnerung wegen seiner reichen Auswahl, speziell an Seafood, und der Qualität der aufgetischten Produkte. Auch heute werden wir nicht enttäuscht. Johannes ist besonders angetan von dem Umstand, daß unsere Tischkellner voll auf Zack sind. Vom ersten, einen Bestellungswunsch signalisierenden Blick in ihre Richtung bis zur Auslieferung der gewünschten Getränke vergehen weniger als 2 Minuten. Ich werde ermahnt, ihnen für diesen hervorragenden Einsatz später ein ordentliches Trinkgeld zu auszuhändigen, was ich natürlich gerne tue.
Mittlerweile haben wir abgelegt und tuckern gemächlich durch den Oslofjord Richtung Süden. Unser Lunch findet mit der Durchsage, daß jetzt die Geschäfte auf dem Promenadendeck geöffnet haben, ein abruptes Ende. Johannes hält es kaum noch auf seinem Stuhl, also erlaube ich ihm, zum Bordshop vorzugehen, zahle unsere Rechnung und komme nach. Schnell hat er zwei lego-style Bausätze von Color-Line-Schiffen ins Auge gefaßt. Einen davon darf er sich aussuchen, den gibt’s noch als Goodie für die sehr harmonisch verlaufene Reise. Die restlichen Geschäfte auf diesem Deck klappern wir nur im Fast Forward Modus ab, bringen die Beute in die Kabine und erkunden danach das gesamte Schiff einmal von unten nach oben. Ich kann mit diesem neuen Fährenkonzept nicht so richtig warm werden: kaum irgendwo gibt es Ecken, wo man einfach nur mal sitzen kann, speziell das Oberdeck ist für ein Schiff dieser Größe relativ klein und obendrein noch ziemlich verwinkelt. Ansonsten blinken überall Leuchtreklamen, dudeln Jingles und Durchsagen irgendwelcher Entertainment-Spezialbereiche, so daß man nirgends Ruhe findet. Außer in der Kabine, in die wir uns alsbald wieder verziehen. Wir holen etwas Schlaf nach und kommen erst am späten Abend zum Essen wieder heraus. Anschließend begeben wir uns noch mal hoch aufs Achterdeck, Sonnenuntergang schauen und die Mädels daheim anrufen. Damit endet unser langer Reisetag.
Sonntag, 24. Juli
Wir werden durch die Lautsprecheransage geweckt, die uns mitteilt, daß wir in ca. zwei Stunden unser Ziel erreichen werden. Wir haben beide gut geschlafen und jetzt ordentlich Appetit aufs Frühstück, das den Passagieren einer 5-Sterne-Kabine in der „Observer-Bar“ im 14. Stock serviert wird. Ein weiteres Goodie, denn hier oben hat man Ruhe und zudem eine spektakuläre Aussicht auf – zugegeben – derzeit relativ wenig Interessantes, denn die Kieler Förde ist gerade mal am Horizont zu erkennen. Das Essen ist wieder ausgezeichnet, auch der Kaffee nicht irgendwelche Hotelplörre, sondern frisch gepreßt aus einer Barista-Maschine. Wir hauen uns ordentlich die Plauze voll, denn wahrscheinlich gibt es erst heute Abend wieder was Ordentliches zu futtern, wenn unsere Mädels hoffentlich im Ferienhaus in Sierksdorf eingetroffen sein werden.
Johannes ringt mir noch einen letzten Bord-Shop-Besuch ab, weil er gerne auch noch das andere Lego-Set der Color Line haben möchte, das es auch nur hier an Bord zu kaufen gibt. Verstehe ich. Allerdings bekommt er dieses nicht einfach so zwischendurch, das wird für Weihnachten aufgehoben. Damit ist mein Sohnemann einverstanden. Ich nehme ein paar Süßigkeiten und eine Flasche norwegischen Aquavit mit, um im sich anschließenden Ostseeurlaub stets einen adäquaten Verteiler nach dem Abendessen parat zu haben.
Wieder oben in der Kabine angekommen, müssen wir unsere Sachen packen – und damit rückt das Ende unseres Urlaubs leider schon in greifbare Nähe. Johannes hängt darum etwas wortkarg und sichtlich traurig in den Sitzkissen unserer Fensterbank. Den lasse ich im Augenblick besser einfach in Ruhe. Auch ich finde es schade, daß die gemeinsame Zeit so schnell verflogen ist. Wenn das doch nur auch für das lange Warten auf die nächste Tour gälte! Die gibt es wahrscheinlich erst in zwei Jahren wieder.
Die Tuten des Schiffshorns reißt Joe aus seinen Gedanken. Wir haben Kiel fast erreicht. Und bei dem strahlenden Sonnenschein heute wollen wir den letzten Kilometer Fahrt und das Andocken gerne vom Deck aus beobachten. Große Überraschung: auf der Steuerbordseite passieren wir das nagelneue „Mein Schiff 5“, welches erst vor kurzem bei der Meyer-Werft Papenburg vom Stapel gelaufen ist. Johannes ist so begeistert, daß er das sofort Melanie und Paula mitteilen muß.
Die „Color Magic“ legt pünktlich an, auch das Deboarding geht relativ fix, so daß wir in Kiel sogar einen Zug früher schaffen, als ich ursprünglich dachte. Läuft super! Daß die Deutsche Bahn mal wieder im Sinne meines Vaters performt und somit erwartungsgemäß verkackt, steht auf einem anderen Blatt. Unser Regionalexpreß (Klimaanlage defekt) endet wegen eines flächendeckenden Stellwerksausfalls im Großraum Lübeck heute außerplanmäßig in Plön. Natürlich erfahren wir das erst auf Nachfrage, nach einer halben Stunde Stillschweigens seitens des Zugpersonals. Und das bei mittlerweile 28 °C im Schatten. Also schnell raus aus dem heißen Zug, nicht lange gefackelt und ein Taxi gerufen, bevor den anderen Reisenden dämmert, daß die unter diesen Umständen herbei georderten Busse des Schienenersatzverkehrs wohl eine Weile auf sich warten lassen werden. Durch unsere schnelle Entscheidung erreichen wir Sierksdorf sogar etwas früher als geplant. Und damit endet unsere 2016er Jungstour.