Lofoten 2011

erster Papa-Sohn-Urlaub mit Johannes

15 Aug 2011 Lofoten 2011

Donnerstag, 4. August

Weil das gestern so gut funktioniert hat, werden wir den heutigen Tag ebenfalls zweiteilen. Vormittags ein wenig Kultur, denn Johannes hat sich einen Besuch des „Kriegsminne-Museums“ in Svolvær gewünscht. Am Nachmittag unternehmen wir wieder eine kleine Wanderung, die aber mit einer hervorragenden Aussicht an ihrem Endpunkt aufwarten kann.
Ich gebe zu: es hat mich ein wenig überrascht, daß sich mein Sohn für das Museum interessiert. Aber als wir vorgestern auf dem Rückweg vom Hafen an dessen Portal – markiert von einer alten Seemine – vorbei gegangen sind, kamen doch ein paar Fragen auf. Was ist denn eine Mine? Warum liegt die da? Ist das nicht gefährlich? Und letztendlich: was mag da wohl in dem Haus drin sein, das sich mit solch einer Deko im Eingangsbereich schmückt? Um das herauszufinden, müssen wir also dem Museum einen Besuch abstatten. Vorher erfolgt ein wenig Geschichtsunterricht für 5-jährige. Nicht ganz einfach zu erklären, warum wir Norwegen damals eigentlich überfallen haben. Aber klar: der große Bedarf an Eisenerz für die Waffenproduktion war in den frühen vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein schlagkräftiges Argument. Dabei stammte der begehrte Rohstoff nicht einmal aus Norwegen, sondern wurde im 100 Kilometer weiter östlich gelegenen schwedischen Kiruna gefördert. Worauf es uns Deutschen ankam, war der ganzjährig eisfreie Hafen in Narvik, von wo aus das Erz Richtung Heimat verschifft werden konnte. Es kam, wie es kommen mußte: Die Wikinger wollten den Germanen natürlich nicht freiwillig das Erz oder gar ihr Land überlassen, also hat unser damaliges (österreichisches) Staatsoberhaupt eine gewaltsame Änderung der bestehenden Eigentumsverhältnisse angeordnet. Darum sind deutsche Truppen auch in Nordnorwegen und sogar auf den Lofoten einmarschiert und blieben dort, bis sie 1945 von den Alliierten vertrieben wurden.
Über die Besatzungszeit, den zivilen und militärischen Widerstand der Norweger sowie über ihre Befreiung informiert das Museum in Svolvær mit Dokumenten, reichlich Erinnerungsstücken und vor allem mit vielen Modellen und Dioramen. Gerade letztere wecken bei Johannes großes Interesse. Ich muß ihm immer wieder bestimmte im Modell dargestellte Szenen erläutern, in den Kontext des Krieges einordnen und natürlich fotografisch festhalten. Toll, daß mein Sohn so wißbegierig ist, auch bei dieser schweren Thematik. Wir verbringen darum deutlich mehr Zeit im Kriegsmuseum als ursprünglich gedacht.
Nach einem kurzen Mittagssnack beim Bäcker Kringla am Hafen geht es mit dem Auto nach Digermulen, wo wir auf den Spuren unseres Kaisers wandeln wollen. Um Johannes zu solchen Wanderungen zu motivieren, habe ich die Idee eines Kinderbuchs aufgegriffen und eine Art Stempelkarte für die beliebtesten Touren der Lofoten besorgt. Im besten Fall läuft das so: Zuerst kauft man sich für umgerechnet 8 Euro die Karte „Ti på Topp Lofoten“ (Top 10 Lofoten). Sieht in etwa aus wie ein Lotto-Tipschein und enthält jährlich eine neue Routen-Zusammenstellung. Innerhalb des Kalenderjahres läuft man dann alle 10 Touren, nimmt die Karte natürlich mit und knipst auf jedem Gipfel mit einer dort plazierten Lochzange ein spezielles Muster in das Feld der entsprechenden Wanderung. Hat man alle geschafft und gestempelt bzw. gelocht, gibt man die Karte an einer der Ausgabestellen ab und nimmt automatisch an einer Verlosung teil, deren Hauptpreise ansehnlich hohe Gutscheine verschiedener Geschäfte auf den Lofoten sind.
Wir starten unsere Wanderung am frühen Nachmittag in der Ortsmitte von Digermulen. Die Tour führt zunächst über Wiesen und Felder, später durch Wald immer bergauf – erst ganz sanft und dann immer steiler – bis sie auf dem weitläufigen Gipfelplateau des Digermulenkollen endet. Hier wurde auch eine Gedenktafel zu Ehren Kaiser Wilhelms II. angebracht, der diese Wanderung mit Gefolge zweimal im Rahmen seiner jährlichen Nordlandreisen unternahm. Neben der Steinplatte mit der Inschrift ist eine Blechkiste deponiert, wo sich die Lochzange und das Gipfelbuch befinden. Johannes knipst stolz wie Bolle das dritte Muster in seine Stempelkarte, bevor wir uns zum Rand des Plateaus begeben, um auf der Raftsund-Seite nach der Hurtigruten Ausschau zu halten. Kurze Zeit später kommt sie auch schon durch den engen Meeresarm gefahren. Heute ist es die „Midnatsol“, das Schwesterschiff der „Trollfjord“ und damit der größte Pott der norwegischen Reederei. Während wir den Dampfer bei der Umrundung der Insel Ulvøya beobachten, verzehren wir unser mitgebrachtes Lunchpaket. Eine halbe Stunde später hat sie den Trollfjord hinter sich gelassen und tuckert zu unseren Füßen für ein passendes Abschiedsfoto vorbei. Danach machen wir uns wieder auf den Rückweg.
Unseren letzten Abend verbringen wir gemeinsam mit unserer Gastgeberin auf der Terrasse, weil das Wetter glücklicherweise mitspielt. Erst gibt es den von uns gekochten Hauptgang, „Suppe Nr. 3“ mit Reis, während Anne Gerd das Dessert zubereitet: frische Moltebeeren mit Sahne oder Eis. Mein Sohn, der nach dem ersten Probelöffel vom Geschmack der arktischen Frucht, sagen wir mal, nicht hundertprozentig überzeugt ist, bekommt statt dessen einen Mix von Erdbeeren aus dem Garten und jener Heidelbeeren, die unsere Gastmama vorgestern gesammelt hat. Das schmeckt, und alle sind glücklich und zufrieden. Um halb elf erfolgt der obligatorische Anruf vom Affenfelsen bei unseren Mädels daheim, bevor wir leider unsere Koffer packen müssen. So endet der letzte Urlaubstag auf den Lofoten.