15 Aug 2011 Lofoten 2011
Montag, 1. August
Einer der Programmpunkte, mit deren in Aussicht gestellter Durchführung ich meinen Sohn zu dieser Reise überreden konnte, ist die Tagestour mit einem Postschiff der Hurtigruten. Nicht, daß ich für unseren Trip viel Überzeugungsarbeit hätte leisten müssen – aber diese Fahrt war praktisch der letzte Baustein in unserem geplanten Reiseprogramm, der den Ausschlag zum „Ja, ich will unbedingt mitkommen“ gab.
Nach dem Frühstück gehen wir vor zum Affenfelsen und klettern heute mal runter zur Straße. Anne Gerd hat uns nämlich gestern eine normalerweise nur den Einheimischen bekannte Abkürzung für den Fußweg in die Stadt gezeigt, die unsere Laufdistanz zur Bushaltestelle um 90% verkürzt. Meine Kinder nennen solche Stock-und-Stein-Strecken immer gerne „Abenteuerweg“, und man kann sie zu den meisten (auch längeren) Wanderungen motivieren, wenn die Chance besteht, daß neben dem Hauptweg ein solcher Pfad verläuft.
Die Bushaltestelle liegt direkt am Yachthafen von Svolvær, was uns hilft, die Wartezeit schnell herumzubringen. Heute ist das Wetter sehr schön und dementsprechend viel Bootsverkehr. Der Bus kommt und bringt uns in ca. 45 Minuten zum kleinen Hafen in Fiskebøl, wo die Fähre nach Melbu auf der Insel Hadseløya ablegt. Die Fahrpläne sind erfreulich exakt aufeinander abgestimmt, sodaß hier keine Wartezeiten entstehen. Das Ticket gilt auch für die Überfahrt auf die andere Seite des Hadselfjordes. Der Bus fährt in den Bauch der Fähre ein. Das heißt: alle Insassen müssen jetzt erst einmal aussteigen und gehen hoch in den Salon bzw. auf das Außendeck, wo man heute bei strahlendem Sonnenschein und – in unserem Fall – einer Tüte Eis – die vierzigminütige Passage auf sehr angenehme Weise hinter sich bringen kann. Auf der südlichsten Vesteråleninsel angekommen, wird der Bus wieder geentert, und die Fahrt geht weiter ins nur wenige Kilometer entfernte Stokmarknes. Da wir superpünktlich sind und bis zur Abfahrt unseres Schiffes noch eine Stunde Zeit haben, steigen wir eine Station vor dem Hafen aus und laufen ein paar Meter durch die kleine Einkaufsstraße. Johannes findet leider keine ansprechenden Souvenirs und schont wieder mal seine kleine Reisekasse, aber das hätte ich ihm nach den Erfahrungen der letzten Touren auch vorher schon sagen können. Im Bericht von 2009 hatte ich das verbesserungswürdige Angebot an Mitbringseln bereits einmal angesprochen – bis heute hat sich an dem Zustand jedoch nichts geändert. Ich kann Johannes immerhin mit der Aussicht vertrösten, daß wir am Ende unserer Reise in Oslo sicher noch ein paar bessere Souvenirläden finden werden. Außerdem trötet es gerade ziemlich laut, was bedeutet, daß unsere Mitfahrgelegenheit, die MS „Trollfjord“, bereits die Hadselbrua passiert hat und innerhalb der nächsten 10 Minuten anlegen wird. Mein Filius geht heute zum ersten Mal an Bord eines so großen Schiffes und ist ziemlich aufgekratzt, wie denn das wohl so sein mag. Wir müssen am Kai noch kurz warten, bis die ganzen Hundertjährigen (gefühlt die Hälfte der Passagiere) vom Schiff in Richtung Hurtigruten-Museum gewankt sind, dann können wir zur Rezeption. Nach dem Überreichen der Bordkarte wird zunächst erst mal der Dampfer von unten nach oben inspiziert. Wir machen einen Rundgang auf allen zugänglichen Decks, der an der Bar auf dem Sonnendeck endet. Hier wird gerade gegrillt, und Johannes bekommt spontan Hunger auf eine Bratwurst. Mein Hinweis, daß das so bezeichnete Lebensmittel mit dem, was wir unter Bratwurst verstehen, nicht viel gemein haben kann, wird ignoriert. Na gut, dann esse ich eben auch eine, wird vielleicht doch nicht so künstlich schmecken, wie sie aussieht. Ich beiße rein und denke mir „Ich hab’s ja gewußt.“ Bäh, was für ein Dreck! Wer jemals die Scheibenwelt-Romane des britischen Schriftstellers Terry Pratchett gelesen hat, der erinnert sich vielleicht an eine zwielichtige Figur namens „Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper“. Dieser taucht spontan überall da auf, wo etwas los ist und verkauft dort Würstchen-Look-alikes mit Ingredienzen von mehr als zweifelhafter Herkunft. Jedoch traut sich niemals auch nur einer, ihn zu fragen, was er da für ein Teufelszeug anbietet. So genau möchte man das vermutlich gar nicht wissen. Es überwiegt im Allgemeinen die Hoffnung, daß die Zutaten zumindest natürlichen Ursprungs sind. So ähnlich geht es mir heute. Johannes kann meine Mäkelei gar nicht verstehen und ißt auch noch die Hälfte meiner Wurst auf.
Pünktlich um Viertel nach drei legt das Schiff ab. Wir haben wegen des warmen Wetters unsere Schwimmsachen eingepackt, um vielleicht in einem der auf Deck 8 herumstehenden Whirlpools ein spontanes Bad nehmen zu können, müssen aber feststellen, daß wir mit dieser Idee nicht die Einzigen sind. Alle Plätze belegt, auch die Liegestühle werden knapp. Nun ja, mein Sohn hätte es vermutlich eh kaum 5 Minuten auf so einem Ding ausgehalten. Also gehen wir noch mal runter in die Cafeteria und holen uns noch ein Eis. Relativ schnell haben wir den Raftsund erreicht, und jetzt kommt auch an Steuerbord schon die MS „Orca“ angerauscht, die die Teilnehmer der Seeadlersafari abholt. Wir verfolgen das Andockmanöver und das Übersetzen der Passagiere, bevor wir nach vorne laufen, um bei der Einfahrt in den Trollfjord besser sehen zu können. Ich zeige Johannes auf der Backbordseite den Berg Digermulenkollen, auf den wir übermorgen noch wandern wollen, um die Schiffspassage durch den Raftsund aus einer anderen Perspektive zu erleben. Der Rest der Fahrt ist das Übliche: Trollfjord rein, Wenden auf der Stelle (Raunen im Publikum, wie der große Pott das hinbekommt), raus aus dem Trollfjord, Stormolla, Lille Molla, Svolvær Ankunft, Aussteigen, Foto mit Schiff und Winke-Winke.
Wir haben seit heute mittag nichts Richtiges gegessen. Überdies herrscht immer noch Sonnenschein bei angenehmen 20°C, darum entscheiden wir uns für den Biergarten im Restaurant „Anker Brygge“, direkt am Hafen. Von hier aus können wir nicht nur unser Schiff noch mal sehen, sondern auch die beiden Wasserflugzeuge, die heute zu Johannes‘ großer Freude noch einmal hier vor Anker gegangen sind. Mein Sohn nimmt wieder den Hamburger, während ich mich für frisch gegrilltes Steak vom Wal entscheide, weil ich das noch nie probiert habe. Schmeckt erstaunlich gut: wie Fisch auf halbem Weg zur Kuh – sogar mein Sproß probiert davon und verlangt ständig Nachschub, bis wir letztlich die Teller tauschen. Nach dem Essen lassen wir uns etwas Zeit und spazieren noch ein wenig im Stadtzentrum von Svolvær herum, bis wir schließlich das Ablegen des Postschiffs live vom Kai aus verfolgen können. Den Abend verbringen wir bei Anne Gerd auf der Terrasse bzw. vorne auf dem Affenfelsen, telefonieren später noch mit unseren Mädels daheim und beenden den Tag gegen zehn Uhr.