30 Jun 2009 Lofoten 2009
Donnerstag, 11. Juni
Heute gibt es kein Programm, so daß wir uns beim Frühstücken Zeit lassen. Als wir gerade mit unbestimmtem Ziel aufbrechen wollen, steht plötzlich Anne Gerd in der Tür: braungebrannt und gutgelaunt. Kein Wunder, war sie doch gerade drei Wochen in Thailand im Urlaub. Wir setzen uns nochmal zusammen an den Frühstückstisch und quatschen eine Weile über alles mögliche. Anne Gerd will schon mal die erste Wäsche waschen, als sich herausstellt, daß die dazu bestimmte Maschine während ihrer Abwesenheit den Geist aufgegeben hat. Wir versuchen zu helfen, finden aber in der norwegischen Bedienungsanleitung nur bedingt Unterstützung und im Internet auch nicht, weil das Gerät schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Also muß unsere Wirtin doch den Techniker anrufen, der aber erst in einer Woche freie Termine hat. Na ja. Wir helfen noch schnell, den Backofen, der während des Urlaubs unserer Gastgeberin bereits in der Reparatur war, reinzutragen und anzuschließen, als uns plötzlich die (lediglich behelfsmäßig geklebte) Klappe entgegenkommt. Hier sind wir machtlos. Leider kein einziges Erfolgserlebnis trotz des versemmelten Vormittages. Für den Abend laden wir Anne Gerd – auch, weil sie kochtechnisch derzeit ja etwas eingeschränkt ist – ins „Du Verden“ zu Essen ein. Erst ziert sie sich, aber ich weiß ja vom letzten Jahr, daß sie dort zu gerne mal hingehen würde. Was das Geld für die Übernachtungen angeht, kommt sie uns preislich noch etwas entgegen: wir brauchen morgen nur 5 statt 7 Nächte zahlen. Faires Angebot. Cool.
Etwas südlich von Svolvær, in Ørsvag, gibt es eine nette Siedlung mit tollen Häusern, die, wie wir später erfahren werden, irgendeiner christlichen Sekte gehören. So was, wie in Amerika die Amish People – geschickte Handwerker, aber gesellschaftlich ziemlich rückständig. In diesem Dorf starten wir noch eine letzte kleine Wanderung Richtung Kalle. Diesmal ist die Strecke fast eben, nur ein kleiner Hügel liegt auf der Hälfte des Weges. In Hopen, dem Nachbarort, angekommen, laufen wir auf den Felsen zum Wasser vor. Wir wollen herausfinden, ob es vielleicht noch einen besseren Fotostandort gibt, um die Begegnung der Hurtigruten zu knipsen. Aber der Platz vom zweiten Tag war schon perfekt. Auf dem Rückweg zeige ich Micha noch die Stelle, wo wir letztes Jahr unsere Kanutour unternommen haben. Hier steht eine sehr gepflegte Rorbuanlage mit einigen „Hot Tubs“ draußen und einer extra Sauna-Rorbu mit eigener Badetreppe, die direkt in den Fjord führt.
Abendessen wird heute noch mal im „Du Verden“ serviert. Anne Gerd ist ganz begeistert vom Menü, der Kellner etwas verwirrt ob des Mischmasch aus Deutsch, Englisch und Norwegisch, der ihm von unserem Tisch entgegenschallt. Apropos Schall: Noch mehr Dezibel erzeugt eine Partygesellschaft, die uns bei der gestrigen Reservierung trotz Nachfrage verschwiegen worden war. An sich nicht weiter schlimm, aber zu allem Überfluß ist heute plötzlich auch noch der zweite Koch krank geworden, so daß jetzt einer alleine in der Küche die undankbare Aufgabe hat, für ca. 50 Leute (uns eingeschlossen) nahezu zeitgleich das Essen fertig zu bekommen. Der tut mir echt leid! Etwa eine Stunde später, also direkt nach unserem Hauptgang, erscheint er mal kurz an der Bar, um ein Glas Wasser zu trinken und macht einen ziemlich fertigen Eindruck. Anne Gerd stellt fest, daß unser Kellner aussieht wie Frodo aus „Herr der Ringe“. Stimmt, und er hat bereits seinen kleinen weiblichen Fanclub im Lokal sitzen, der ihn permanent mit lüsternen Blicken verfolgt. Eine ältere, bereits etwas angeschickerte Dame aus der Partygesellschaft haut ihm zudem immer mal wieder auf den Hintern, wenn er vorbeikommt. Ein Hoch auf die Gleichberechtigung! Frodo nimmt’s gelassen, wird aber von mir aus gegebenem Anlaß ermahnt, dem Koch mitzuteilen, daß der erst kollabieren darf, wenn unser Dessert fertig ist. Daraufhin grinst er, verschwindet kurz in der Küche und kommt mit dreimal „Dreierlei von der Schokolade“ zurück. Wegen der Wartezeit bekommen wir einigen Rabatt auf unsere Rechnung. Nette Geste.
Auf dem Nachhauseweg schauen wir kurz bei Elizabeth vorbei, die sich wie Bolle freut, uns zu sehen. Heute dabei sind auch ihre Tochter Diana (schnuckelig, aber nur geschätzte 1,45m groß) und Schwiegersohn Aaron (der Sohn des Autors meines Lofoten-Reiseführers, sehr sympathisch). Mit ihm mache ich für nächstes Jahr ein Treffen aus, ebenso mit Elizabeth, die fast ein wenig enttäuscht war, daß wir sie im Laufe der Woche nicht schon mal besucht haben. Sie hätte so gerne was für uns gekocht!
Immerhin spricht sie jetzt ein bißchen Englisch und ist stolz und begierig, das Gelernte auch anzuwenden. Was mir während unseres gut anderthalbstündigen Aufenthalts auffällt: wenn mir das Gesprächsthema bekannt ist, bekomme ich auch bei Unterhaltungen auf norwegisch immer mindestens den groben Sinn des Gesagten mit, oft auch einige Einzelheiten. So verschieden sind unsere Sprachen nämlich gar nicht. Ich muß mich doch mal an meinen Selbstlernkurs setzen. Wieder in der Villa Hügel angekommen, machen bei einer Flasche Wein wir eine ausgiebige Bilderschau an Anne Gerds Computer, wo sie uns zum einen ihre erste Enkeltochter zeigt und zum anderen auf meinen Wunsch viele Winterfotos der Lofoten. Die machen doch echt Lust auf eine Reise hierhin in der dunklen Jahreszeit.