30 Jun 2009 Lofoten 2009
Montag, 8. Juni
Viele meiner Ausflugsziele auf den Lofoten habe ich mir im vorher Internet ausgeguckt, speziell auf einer Seite namens Fotocommunity, wo man eigene Bilder einstellen und diese dann von anderen Usern bewerten lassen kann. Auf diese Weise kommt man immer mal wieder mit netten Menschen in Kontakt, und einen solchen treffen wir heute. Jörg aus dem Münsterland, der vor einiger Zeit als Krankenpfleger nach Norwegen kam und mittlerweile seit über fünf Jahren in Stokmarknes auf Hadseløya, der südlichsten Insel der Vesterålen, wohnt.
Wir sind zum Wandern verabredet. Und wieder geht es von Beginn an moderat steil bergauf. Das ist im Prinzip der Standardverlauf jeder Lofotenwanderung. Viel flaches Gelände gibt’s da nicht. Wo soll man also hin, wenn nicht nach oben? Wir machen Rast in einer Hütte des Norwegischen Roten Kreuzes, füllen unsere Wasservorräte auf und schießen einige Fotos. Ich wundere mich dann doch, wie Jörg es schafft, mit seinem schrottigen Nikon-Equipment so tolle Bilder ins Internet zu bringen.
Nach kurzer Pause geht’s weiter hoch auf die 504 Meter hohe Storheia. Aufmerksame Leser werden sich anhand des Namens ausmalen können, daß wir es hier mit einem gemächlichen Anstieg zu tun haben. Irgendwann sind wir dann oben, und die Aussicht ist schlechthin genial. Im Osten die Berge der Lofotenkette, im Süden kann man die Küste entlang schauen und erkennt die einzelnen Inseln. Im Westen liegt das Nordmeer, und dahinter kommt dann Grönland, aber das sieht man heute nicht – zu diesig. Im Norden kann man die Vesterålen ausmachen und den Hadselfjord, der diese von den Lofoten trennt. Das einzige Wermutströpfchen in diesem spektakulären Panorama ist der Berg Husbykollen, der uns den uneingeschränkten Blick auf die Lofotenwand versperrt. Also, liebe Norweger: wegsprengen das Ding, dann klappt’s auch mit der Aussicht. Na gut, nicht sehr wahrscheinlich, daß hier in näherer Zukunft das entsprechende Terraforming vorgenommen wird. Da merke ich mir doch lieber für den nächsten Urlaub diesen Berg als Wanderziel.
Abends laden wir Jörg noch in den „Rødbrygga“-Pub in Stokmarknes zum Abendessen ein. Riesenhamburger und dazu Pommes frites – endlich mal was Gesundes für Männer. Hier kann man in Sichtweite der Hurtigruten-Anlegestelle gemütlich sitzen und drinnen wie draußen bei Speis‘ und Trank dem Treiben im Hafen zusehen. Sehr angenehm. Wir nehmen die letzte Fähre zurück nach Austvågøya und cruisen noch ein wenig an deren Nordküste entlang. Ein, zwei Fotohalte für Micha, der ja z.B. den coolen Aussichtspavillon bei Grunnfør noch nicht kennt, und dann kommen wir heute mal einigermaßen zeitig ins Bett. Bedeutet: kurz nach Mitternacht.
Dienstag, 9. Juni
Nachdem wir gestern ziemlich viel mit schwerem Marschgepäck gewandert sind, ist heute mal Faulenz-Tag, was allerdings nicht bedeutet, daß wir nun gar nichts erleben würden. Lassen wir’s also ruhig angehen: Ausschlafen, dann gemütlich Frühstücken, Shopping. Mittagessen lassen wir heute ausfallen, da wir nach dem Tagesprogramm noch ins „Du Verden“ speisen gehen wollen.
Am Nachmittag schlendern wir zum Hafen und boarden die M/S „Trollfjord“. Nicht das große Hurtigruten-Schiff, sondern einen recht betagten Fischkutter gleichen Namens mit 25 Plätzen für Passagiere. 25 Plätze heißt allerdings nicht 25 Sitze, weshalb es doch ganz gut ist, daß wir etwas früher dran sind und uns noch ein paar brauchbare Sitzgelegenheiten direkt vor dem Führerhaus schnappen können. Die mit knapp 4 Stunden angesetzte Tour soll uns an den Brutstätten einiger Seeadler auf Stormolla vorbei führen und anschließend in den Trollfjord, wo wir die Einfahrt des gleichnamigen Postschiffes miterleben wollen. Der Kutter dümpelt mit maximal 9 Knoten gemütlich dahin, und wir dösen etwas in der Sonne.
Das Boot legt einen ersten Stop ein, als wir Digermulen erreichen. Hier überreicht die Frau des Skippers meinem Kumpel Micha und noch einem anderen Mann jeweils eine Angel mit mehreren Haken dran und bedeutet ihnen, schon mal mit dem Fischfang loszulegen. Zum Glück sind sachkundige Angler an Bord und geben Tips, so daß nach 2 Minuten einige beachtlich große Fische an Michas Leine hängen. Aber wozu brauchen wir die? Zum Seeadler füttern. Richtig, das hatte ich fast vergessen, da für mich der Höhepunkt der heutigen Fahrt eindeutig die Begegnung mit der „Trollfjord“ im Trollfjord ist. Nach einigen Augenblicken des Wartens kommt in niedriger Höhe tatsächlich 1(!) Seeadler angeflogen, umkreist zweimal das Schiff und stürzt sich auf einen der Fische, den die Besatzung eines in unmittelbarer Nähe wartenden Ausflugsbootes genau zu diesem Zweck ins Wasser geworfen hat. Bei diesem einen Vogel bleibt’s dann aber auch.
So – Seeadler abgehakt, unser Begleitschiff macht sich mit hohem Tempo davon, was bedeutet, daß die Hurtigruten nicht mehr weit entfernt sein kann, und auch unser Kutter schleicht in Richtung Trollfjord. Tatsächlich ist die Einfahrt des Postschiffs in diesen engen, von hohen Felswänden umsäumten Fjord ein echtes Erlebnis. Jetzt machen sich auch unsere guten Fotoplätze bezahlt: Auf lediglich zwei Aufnahmen von über hundert ist entweder jemand oder etwas von unserem Kahn drauf. Auf der Rückfahrt werden die Bilder gesichtet, die ersten gleich wieder aussortiert, und, nachdem die Arbeit getan ist, auf dem Vorderdeck in der warmen Abendsonne noch ein paar Pigmente gehascht. Zurück in Svolvær: Das „Du Verden“ war eine Empfehlung unserer Wirtin vom letzten Jahr, und wenn ich mir die Auszeichnungen für den Koch auf der Homepage des Restaurants anschaue, weiß ich auch, warum. Der Chef steht allerdings nicht immer selbst in der Küche, sein heutiger Vertreter jedoch macht seine Sache auch sehr gut. Was man vom Bedienpersonal leider nicht behaupten kann. Unser Kellner scheint mir ein wenig zerstreut. Er bringt das Essen, geht einige Schritte Richtung Küche, dreht sich abrupt um, haut sich mit der Hand an den Kopf, kehrt zurück und sagt uns, daß wir noch mal kurz mit der Nahrungsaufnahme einhalten sollen, weil er die Speisen ja noch nicht präsentiert hätte. Stimmt zwar, wäre uns aber erstens gar nicht aufgefallen und zweitens auch ziemlich egal gewesen. Seine Präsentation jedenfalls hätte er sich auch sparen können, denn: wenn sein ausgestreckter Zeigefinger vielleicht noch 5 Millimeter tiefer gegangen wäre, hätte dieser Typ doch glatt meine Kartoffeln aufgespießt. Oder sich im Salat verfangen. Oder das Fleisch von seinem kunstvoll arrangierten Gemüsetürmchen geschubst. Was hätte da alles passieren können!
Micha ist nach diesem Erlebnis traumatisiert und muß nach Hause bzw. auf einen kleinen Trunk zur Beruhigung in die Bar „Magic Ice“ am Hafen. Ich hingegen entscheide mich für die Taktik des schnellen Vergessens durch das Nachschieben geballter positiver Eindrücke, die ich an den Stränden Vestvågøyas sammeln will. Die Westküste dieser Insel weist in dieser Hinsicht einige wahre Perlen auf, der Strand Haukland wurde 2007 sogar zum schönsten in ganz Norwegen gekürt. Für das optimale Foto bin ich hier zwar zu spät, weil die Sonne bereits zu tief steht und die Bucht im Schatten liegt, aber Uttakleiv, nur wenige Kilometer weiter nördlich, bietet dafür ein traumhaftes Bild. Die Mitternachtssonne taucht diesen Küstenabschnitt in ein goldoranges Licht, und auch hier gibt es grüne Steine, die sich klasse als Fotomotiv eignen, wenn man das denn richtig einzufangen vermag. In Uttakleiv selbst gelingt mir das zwar nicht so recht, dafür aber in Unnstad, das mir 2008 schon prima gefallen hatte. Zu guter Letzt nehme ich auf der Heimfahrt nicht die kurze Route quer durch Vestvågøya, sondern fahre die Nebenstrecke an der Nordmeerküste entlang. Mit einem tollen Panorama von Kvalnes werde ich für diesen Umweg belohnt. Und der grausige Kellner ist schon vergessen…