30 Jun 2009 Lofoten 2009
Samstag, 6.Juni
Obwohl uns offensichtlich Elizabeth einige Sachen fürs Frühstück in den Kühlschrank gestellt hat, gehen wir dennoch morgens zum Einkaufen ins AMFI-Center, wo es einen recht gut sortierten Supermarkt gibt. Svolvær ist recht voll, es scheint Markttag zu sein. Und richtig: am Hafen sind diverse Stände aufgebaut. Nachdem wir unsere Beute zu Hause verstaut haben, fahren wir ein paar Kilometer nach Süden und stellen unser Auto an der Abzweigung zu einer alten Paßstraße ab. Dort beginnt unsere erste Wanderung, die uns auf den Gipfel des Berges Glomtind führen soll. Dazu muß man wissen, daß durchaus nicht alle Berge auf den Lofoten gleich zipfelig aussehen, auch wenn ich das gerne hin und wieder behaupte. Die eher spitzen heißen „-tind“ am Ende, breite bzw. abgeplattete Exemplare enden auf „-heia“, und dann gibt‘s noch welche, die wiederum komplett andere Namen haben, so daß man schon selbst vor Ort nachschauen muß, um welche Spezies Berg es sich denn nun handelt. Vom Glomtind jedenfalls hat man eine tolle Rundumsicht über Austvågøyas Ostküste, die beiden Mollas (Store und Lille) bis hinüber zur Insel Skrova und zum Festland.
Auf einem flachen Felsbalkon etwas unterhalb des Gipfels gibt’s erst mal Picknick. Wir haben ein paar dieser extended Bifi–Würste in verschiedenen Sorten gekauft, darunter so verheißungsvolle Namen wie Caramba, Bierbanger, Whiskypinne, Hot Amigo oder auch Red Devil. Mein Weg endet hier; Micha steigt noch weiter bis ganz nach oben. Nach etwas mehr als anderthalb Stunden ist diese relativ leichte Tour geschafft und eignet sich damit sehr gut als Auftakt, um im Lauf der Woche etwas anspruchsvollere Wanderungen zu unternehmen. Meine Liste reicht jedenfalls für einen längeren Urlaub, da werden wir wohl gar nicht alle Strecken schaffen.
Da wir schon einmal im Süden unserer Insel unterwegs sind, statten wir dem Ort Henningsvær einen Besuch ab. Mittlerweile ist Vesperzeit, und da weiß ich doch noch vom letzten Jahr ein nettes kleines Café. Im „Lysstoperie“ gibt es nicht nur leckere Erdbeertorte und diverse Kaffeespezialitäten, sondern auch noch Kerzen und andere Wachsprodukte zu kaufen, daher kommt der Name. Alles in allem ist Henningsvær doch gar nicht so schlecht. Einiges hat sich seit dem letzten Jahr verändert – diverse Gebäude wurden renoviert, Müll beseitigt, und natürlich haben im Juni auch schon deutlich mehr Geschäfte geöffnet. Einzig und allein die verfallenen Häuser am Ortseingang bleiben ein Schandfleck in dem ansonsten recht malerischen Dörfchen. Reste einer alten Schiffstankstelle bieten ein schön morbides Motiv. Wir fahren einmal bis ans Ende der Straße und finden noch ein paar neue Fotostandorte. Schön, wenn man Zeit hat, in Ruhe rumzugehen und sich Lofoten’s Venedig nicht innerhalb von 10 Minuten im Rahmen einer Bustour „errennen“ muß, bevor man auch schon wieder weiter fährt.
Wenn meine Notizen aus dem letzten Jahr etwas taugen, dann sollten wir um kurz nach acht etwas südlich von Kabelvåg das Treffen der Hurtigruten-Postschiffe vom Ufer aus sehen können. Und richtig: kaum zehn Minuten, nachdem wir unser Equipment auf den Klippen aufgebaut haben, erscheint abeam Henningsvær die M/S „Lofoten“ auf der nordgehenden Route. Kurz darauf sehen wir, wie die M/S „Nordlys“ Svolvær Richtung Süden verläßt und Kurs auf Stamsund nimmt.
Da die Vormittagswanderung ziemlich leicht war, fassen wir den Entschluß, heute abend noch eine zweite Tour dranzuhängen. Unser eigentliches Ziel, die Anhöhe Klepstadheia wird zugunsten des Hovden, von dem ich mir eine bessere Rundumsicht verspreche, geändert. Ich persönlich habe beim Aufstieg auf den letzten Höhenmetern einige Mühe, weil ich doch nicht mehr ganz so fit bin, wie ich dachte. Aber dank der Wanderstöcke kann ich mich doch noch bis zum Gipfel hochziehen. Hier gibt’s erst einmal eine kurze Verschnaufpause mit ordentlicher Schokolade, bevor das Fotografieren losgeht. Kurze Zeit später trifft eine Gruppe junger Leute auf dem Hovden ein, mit denen wir ins Gespräch kommen. Einer von ihnen ist Mitglied des Fotoclubs Tromsø und kennt wiederum jemanden, dessen Polarlicht-Aufnahmen ich in der Fotocommunity immer bewundert habe. Wie klein doch die Welt ist!
Sonntag, 7. Juni
Bereits unser alter Kaiser Wilhelm der Zweite wußte ja schon, wo’s auf der Welt so richtig super ist und war folglich sehr oft in Norwegen zu Besuch. Seine jährlichen Nordland-Reisen führten ihn einige Male auch in die Lofoten-Region, genauer gesagt ins Raftsund-Gebiet. In Digermulen hat er sogar eine kleine Kirche bauen lassen. Hier beginnt auch der so genannte „Kaisermarsch“, eine leichte Tour auf den Hausberg, die wir uns für etwas später vornehmen. Aber dazu gleich mehr. Erst mal müssen noch einige unbereiste Fotospots in Augenschein genommen werden, was uns unter anderem zum wirklich traumhaften Strand Trollskarholmen führt. Total abgelegen, weißer Sand und türkisfarbenes Wasser – hier könnte man glatt vergessen, auf den Lofoten zu sein.
Aber so langsam müssen wir zum Startpunkt des Kaisermarsches zurück, um unseren Aufstieg auf den Digermulenkollen rechtzeitig abgeschlossen zu haben. Wozu eigentlich? Meine Vorplanungen haben ergeben, daß das südgehende Hurtigruten-Schiff gegen 16 Uhr in den Trollfjord einlaufen müßte, was vermutlich von der erhöhten Aussichtsposition ein gutes Fotomotiv abgibt. Mittlerweile haben wir’s halb drei, da ist noch genug Zeit, um den besten Standort zu suchen.
Der Aufstieg ist wirklich einfach und bietet schon unterwegs immer mal wieder schöne Aussichten auf den Raftsund. Auf dem ersten Felsplateau angekommen, wird an einer einigermaßen windgeschützten Stelle mit grandiosem Panoramablick gerastet. Die Sonne scheint zwar, aber hier oben zieht’s wie Hechtsuppe. Also warme Sachen an und nach dem Essen ins trockene Moos gelegt, um erstens den Sonnenschein zu genießen und zweitens möglichst wenig Angriffsfläche für den Wind zu bieten.
Beim Genuß teurer Schokolade dösen wir ein und werden erst durch lautes Vogelgeschrei aus unserer Ruhe gerissen. Über uns kreist ein Steinadler, der die aus seiner Sicht wohl recht üppigen Kadaver mal näher in Augenschein nehmen will. Groß ist seine Enttäuschung, als das potentielle Festmahl jetzt doch aufsteht, die große weiße „Kanone“ rausholt, und damit gar auf ihn zielt. Dank meines hochwertigen Teleobjektivs bekomme ich den edlen Vogel einigermaßen gut ins Bild.
Mittlerweile ist es fast 16 Uhr, aber vom Postschiff ist im ganzen Raftsund, den wir von unserer Position gut überblicken können, nix zu sehen. Deshalb nehmen wir unsere Kameras und erkunden noch ein wenig das weitläufige Felsplateau, auf dessen Gipfel doch tatsächlich zwei Gedenktafeln seiner Majestät, Wilhelm II, stehen. Noch ein paar Panoramen hinterher geschossen, und dann müssen wir schon wieder nach vorne zum Aussichtsbalkon, denn mittlerweile hat M/S „Richard With“ die Raftsundbrücke passiert und fährt zügig Richtung Süden. Gegen halb fünf biegt sie endlich in den Trollfjord ab, und wie man anhand der Bilder sehen kann, ist unsere Stelle wirklich ein super Fotospot. Und meine Vorab-Fahrplan-Recherche hat sich ausgezahlt.
Wieder mal haben wir abends keine rechte Lust zum Kochen und beschließen darum, im Rica-Hotel am Hafen essen zu gehen. Dort war ich auch noch nie. Die Quintessenz: hochwertiges Essen für den Standardbetrag von etwa 45 Euro pro Person (inkl. Getränke und Dessert) und ein Kellner, der wie eine Mixtur aus Paul Potts und Kjeld von der Olsenbande aussieht, sich mit der Geschwindigkeit einer Kontinentaldrift bewegt und durch nichts, aber wirklich gar nichts aus der Ruhe zu bringen ist – außer vielleicht durch einen Meteoriteneinschlag in seiner unmittelbaren Nähe. Trotz der Bedienung durch Zeitlupen-Ole schaffen wir noch, die Ausfahrt der M/S „Midnatsol“ an der Hafenmole zu fotografieren. Anschließend will ich wieder etwas Neues sehen und habe deshalb Eggum ins Navi eingegeben. Nicht gerade ein Katzensprung: zwei Inseln weiter, aber durchaus lohnenswert. Einen Bergsee, der mir auf Fotos im Internet immer gefallen hat, erkenne ich wieder, und am Ende der Schotterstraße steht wieder mal ein Stück „Skulpturlandskap“. Diesmal ist es eine Plastik, die einen Kopf darstellt, der, wenn man um ihn herumgeht, erst korrekt und dann verkehrt herum zu stehen scheint. Coole Idee – wir mühen uns etwa eine halbe Stunde ab, um diese Skulptur angemessen auf Foto zu bannen, aber einfach ist das nicht. Eggum liegt malerisch an der offenen Nordmeerküste, hier komme ich bestimmt noch mal vorbei.