Bucht von Cromarty
Zugegeben: mir wäre es lieber gewesen, wenn der Titel dieses Beitrag Island 2020 gelautet hätte. Aber für Reisende ist das aktuelle ein echt schwieriges Jahr. Nach einem wegen Corona abgesagten Anlauf im Juni hatten mein bester Kumpel Micha und ich unsere Tour auf September verschieben können, aber zwei Wochen vor dem geplanten Abflug haben die Wikinger die Hürden bei der Einreise mit einer zweistufigen Quaranatäne wieder einmal etwas höher gelegt. Und so mußten wir auch diesen Versuch, mal eben schnell zum Mond zu fliegen, absagen und uns stattdessen nach einer leichter erreichbaren Alternative umsehen. Und wieder fiel die Wahl auf Schottland, zum vierten Mal. Nach der Herrentour 2013, der Wanderung auf dem West Highland Way 2017 und der Reise mit meinem Sohn Johannes im vergangenen Herbst, ist der nördliche Teil des Vereinigten Königreichs unser Ziel.
Montag, 14. September
Corona hat Europa weiterhin voll im Griff, und darum bleibt uns im Minenfeld der vielen Reisebeschränkungen nur eine ziemlich kurze Vorausplanungsfrist und eine recht übersichtliche Liste mit Zielen, die wir im Augenblick gefahrlos ansteuern könnten. Und wie schon einmal 2013 führt uns unsere Herrentour, auch aus Mangel an attraktiven Alternativen, nach Schottland. Erstens, weil wir bequem, günstig und vor allem zu perfekten Zeiten von Karlsruhe direkt nach Edinburgh und zurück fliegen können. Zweitens, weil es auch im Falle einer Einstellung des Flugbetriebs immer noch verschiedene Heimkehrmöglichkeiten auf dem Land- bzw. Seeweg gäbe. Flexibler geht eigentlich kaum – es sein denn, wir führen einfach in den Harz. Sicherer wäre es dort vermutlich, weil gerade die Corona-Fallzahlen im Vereinigten Königreich wieder auf dem Weg nach oben sind. Heißt also für uns: “Immer uffbasse!”
Da die Ryanair-Verbindung ab Karlsruhe in die schottische Hauptstadt so ziemlich die einzig brauchbare für unseren Reisezeitraum ist, sitzen Micha und ich mittags im Sicherheitsbereich vom Baden Airpark und warten auf die Maschine nach Edinburgh. Pünktlich ist sie jedenfalls schon mal. Dank vorab gebuchter Extras (jeweils ein zweites Gepäckstück und je ein fester Sitzplatz) gestaltet sich das Boarding sehr entspannt. Auf dem gut zweistündigen Flug gibt es kaum Verkaufsveranstaltungen oder Rubellos-Lotterien. Kannste nicht meckern…
Die Einreiseformalitäten sind dank Vorab-Registrierung mittels QR-Code rasch erledigt. Auch die Mietwagenübergabe geht unproblematisch vonstatten. Wir bekommen sogar (natürlich gegen geringen Aufpreis) eine Mercedes-G-Klasse angeboten. Allerdings scheint uns diese Karre für die schmalen schottischen Straßen doch reichlich überdimensioniert zu sein, und wir lehnen dankend ab. Mit unserem Ford Focus Kombi sind wir da besser bedient, wie sich im Verlauf der Reise noch herausstellen soll. Wir müssen heute noch 250 Kilometer nach Norden fahren, wo in Inverness unser erstes Quartier liegt. Bis kurz vor Aberfeldy ist die Strecke noch als Autobahn ausgebaut, aber auf den letzten zwei Dritteln quält sich der gesamte LKW-Verkehr mit Ziel nördliche Regionen über eine einzige Straße. Überholen ist sinnlos, Geduld ist gefragt. Wir nutzen jede sich bietende Gelegenheit unterwegs für Foto- und Snackstops.
Das Wetter bei unserer Ankunft am Ziel ist eher mau, darum stressen wir uns heute nicht, was das Fotografieren angeht. Stattdessen beziehen wir in aller Ruhe unser Hotelzimmer, das mit vierzig Euro pro Nacht ein absolutes Schnäppchen war. Das Haus ist gerade mal zwei Monate in Betrieb und dementsprechend noch top in Schuß. Nach einer Runde Siesta machen wir uns nochmal auf zu einem Einkaufszentrum in der Nähe, um ein paar Snacks für die Ausflüge an den nächsten Tagen zu kaufen. Wieder im Hotel angekommen, wird alles verstaut, und wir lassen den ersten Reisetag unten im Restaurant bei Burgern und lokalem Bier ganz gemütlich ausklingen.
Fairy Glen Fall
Dienstag, 15. September
Nach einer ruhigen Nacht im bequemen Hotelbett und einem passablen Frühstück checken wir das Wetter in der Umgebung. Soll heute durchwachsen sein, also sparen wir uns ewig lange Fahrten und schauen mal, was das nahe Umland von Inverness an Attraktionen so anzubieten hat. Dank meiner App namens “Locationscout” finden wir unser erstes Ziel recht schnell: die Fairy Glen Falls im gleichnamigen Tal, etwas nördlich der Stadt gelegen.
Das Auto wird auf einem Wanderparkplatz abgestellt, und dann beginnt ein etwa halbstündiger Fußmarsch mit dem kompletten Foto-Gerödel durch das grüne Feen-Tal. Unterwegs halten wir immer wieder an, um ein paar “Füll-Fotos” zu knipsen, bevor wir nach circa drei Kilometern den namensgebenden Wasserfall erreichen. Hier teilen wir uns auf, um möglichst viele unterschiedliche Perspektiven und Motive einzufangen. Dank unserer hochwertigen Ausrüstung sollten gute Bilder allenfalls an mangelndem Können scheitern, aber wir sind da zuversichtlich. Einige hundert Meter den Bachlauf hinauf stoßen wir auf einen weiteren kleinen Fall. Diesen nehmen wir noch schnell mit und marschieren danach zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zurück.
Während wir noch auf dem Parkplatz im Auto ein paar Sandwiches zum Mittagessen mampfen, suche ich schon mal nach weiteren Fotospots in der Nähe. Was haben wir denn da? “Oil Rig Wreck Yard” – nur 15 Kilometer Luftlinie von unserer aktuellen Position entfernt. Hmm… Aus dem Vorschaubild der App werden wir nicht recht schlau, also fahren wir da mal hin, um uns die Sache aus der Nähe anzuschauen.
Was für ein Kontrast! Als wir über die letzte Hügelkuppe vor dem Firth of Cromarty gefahren kommen, bietet sich uns ein starkes Panorama. Zu unseren Füßen liegt ein Vogelschutzgebiet namens Udale Bay, im Hintergrund können wir undeutlich bereits große Schleppschiffe und einige Ölplattformen unterschiedlichen Verfallsgrades ausmachen.
Direkt an der Küstenstraße befindet sich ein kleiner Parkplatz und dazu als special Feature ein gedeckter Unterstand zur Vogelbeobachtung. Die direkt nebendran errichteten Picknickbänke konterkarieren in meinen Augen ein bißchen den Wunsch nach unauffälligem Fluggetier-Stalking, aber wir sind eh nicht so die großen Bird-Spotter. Darum schießen wir nur ein paar wenige Bilder mit dem 200mm Teleobjektiv – von den herumlungernden Profis mit ihren 600er “Tüten” wahrscheinlich milde belächelt. Wir lassen den Rastplatz für derzeit vor allem Wildgänse nach kurzer Zeit links liegen und schauen uns lieber in der Umgebung mal ein wenig um. Einige Heuballen in ihrem natürlichen Habitat laden zu Fotos ein, aber das dominierende Element in dieser Szenerie bleiben einfach die vielen Ölplattformen in der Bucht. Von unserem aktuellen Standort aus haben wir noch nicht die perfekte Sicht, also fahren wir weiter.
Im Hafen von Cromarty ist so Einiges los. Viele Leute sind unterwegs, fast alle Parkplätze belegt. Das liegt möglicherweise daran, daß mittlerweile die Sonne herausgekommen ist und angenehme Wärme verbreitet. Micha und ich teilen uns wieder auf und erkunden die Gegend auf eigene Faust. Wer soll bloß nachher all die vielen Bilddateien aussortieren, die bei dieser Arbeitsweise entstehen? Eine Stunde später sitzen wir auf der Hafenmauer in der Sonne und snacken ein paar Ballerina-Kekse, die es zu meiner großen Freude gestern auch bei Tesco zu kaufen gab. Kurze Lagebesprechung: wo wollen wir noch hin? Direkt um die Ecke kommt nicht mehr viel, denn Cromarty liegt am Ende einer Landzunge. Wir müssen also in jedem Fall zurück und vertagen die Entscheidung erst einmal. In aller Ruhe packen wir unseren Kram zusammen und fahren erst einmal los, Richtung Inverness. Kurz vor der Stadtgrenze noch mal schnell ein Wettercheck: wenn wir uns etwas beeilen, würden wir einen kurzen Ausflug ins Tal Glen Affric schaffen, an das wir noch tolle Erinnerungen von unserer Herrentour 2013 haben. Darum suchen wir auch exakt denselben Kiosk auf, wo wir auf Hermanns Bitte vor sieben Jahren schon einmal für eine Kaffeepause gehalten haben.
Von Westen her ziehen Wolken auf, deswegen fällt der Boxenstop nur kurz aus. Eine halbe Stunde später sind wir am Ende der Straße im Glen Affric angekommen. Dann wollen wir mal! Mit der Fotoausrüstung im Rucksack und der Kamera im Anschlag machen wir uns auf die einstündige Rundwanderung namens River Walk und hoffen, daß das Wetter hält…
River Affric
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