
Hagskaret, Blick zum Offersøykammen
Donnerstag, 13. September
Heute ist Halbzeit. Wir haben schon einiges gesehen und erlebt, und wenn das Wetter mitspielt (was es zumindest morgen allerdings erst mal nicht tun soll), dann können wir vielleicht noch einige Wanderungen unternehmen. Morgen besuchen wir wegen des angekündigten Regens das Wikingermuseum in Borg, und der Rest des Tages geht vermutlich für Relaxen oder Shopping drauf. Oder noch etwas Kultur – einige Kirchen harren noch sehnsüchtig ihrer Besichtigung. Aber zurück zum heutigen Tag:
Hier fühlt sich der Vadder wie zu Hause. Seine Worte lauten „wie im deutschen Mittelgebirge“, was sich wohl auf die moderate Steigung dieses Wanderweges bezieht, nachdem vorgestern der Kaisermarsch doch ganz schön steil war.
Die heutige Tour rund um den Hagskaret beginnt unweit von Anne Gerds Haus, nur ein paar Kilometer die Straße hoch und dann auf den Berg hinauf, den man von ihrem Eßzimmer aus sehen kann. Oben angekommen, bietet sich einem ein herrlicher Rundblick über die Lofoten, den Vestfjord und zum Festland. Unser Haus ist nicht zu sehen, das liegt hinter einem Huckel. Was man auf dem Foto auch nicht sehen kann, ist der einsetzende Regen, der uns dazu bewegt, eine mehr oder weniger Querfeldein-Wanderung direkt zurück zur Unterkunft zu versuchen. Allerdings verliert sich nach etwa einer halben Stunde Gehzeit der Weg im dichten Birkengestrüpp, und ein Weiterkommen scheint unmöglich. Zudem verschlechtert sich die Sicht in der Regenwolke erheblich – bis hin zu „complete IMC“. Also korrigieren wir unseren Fehler, stapfen zurück und damit wieder bergauf und erreichen nach nach einiger Zeit wieder den Gipfel. Immerhin scheint jetzt wieder die Sonne, und der Wind bläst unsere Sachen trocken. Auf dem Weg zum Ausgangspunkt unserer Wanderung wird es dann so richtig toll herbstlich, die gesamte Vegetation entlang unserer Strecke strahlt in herrlichstem Gelb, Orange und Rot. Immer wieder muß ich zum Fotografieren anhalten.
Nach dem Aufwärmen und einem kleinen Mittagssnack im Haus geht es mit dem Auto an die Westküste unserer Insel. Hier liegt unter anderem der Strand Haukland, ein breiter schöner Sandstrand mit leider etwas zu kaltem Wasser. Mittlerweile verdichten sich die Wolken auch wieder, und so muß ich meine Fotosession mit den sehr geduldigen Steinen abbrechen und wieder ins Auto steigen. Der Papa soll ja nun nicht ewig allein im Auto warten, denn der sitzt schon seit ein paar Minuten wieder in unserem wohltemperierten Gefährt, während es draußen gerade etwas ungemütlich wird.
Fahren wir also mal auf die andere Seite des „Mannen“, vielleicht ist die Regenwolke nicht ganz so schnell über den Berg wie wir hindurch. Das Bild unten zeigt, welche Ergebnisse mit der heutigen Digital-Foto-Technik auch bei schlechtem Wetter möglich sind. Dies ist der Strand Uttakleiv, den ich bislang immer nur nachts im Sommer besucht habe. Und einmal mit Melanie im Regen tagsüber. Heute kommt auch so einiges an Niederschlag vom Himmel. Aber das sieht man dem Foto nicht an, zumal sich über der Siedlung am Strand gerade ein kleines Wolkenloch gebildet hat und die Häuser in ein schickes Licht taucht.
Mit diesem schönen Anblick geht der Reisetag auch schon so langsam wieder zu Ende. Morgen kommen ein paar englische Gäste, die ich quasi als Stellvertreter für unsere Herbergsmama in Empfang nehmen darf. Ich fühle mich geehrt, zumal ich auch inkasso-berechtigt bin. Dies gibt Anne Gerd die Möglichkeit, noch einen Tag länger auf dem Festland mit ihrer Familie zu verbringen. Am Samstag kommt sie zusammen mit ihrer älteren Tochter und den Enkeln, ihrem Sohn und einem Freund des Hauses wieder hierher. Dann wird’s etwas trubeliger, nicht so (fast gespenstisch) ruhig wie derzeit.
Sonnenuntergang über Henningsvær und dem Berg Vågakallen
Freitag, 14. September
Für heute gibt es wegen des angekündigten Regenwetters keine großen Pläne. Wir lassen’s erst mal ruhig angehen. Ich verbringe den Großteil des Vormittags damit, alle Zimmer des Hauses aus allen möglichen Blickwinkeln zu fotografieren, damit ich die Bilder später bei Bedarf in die Homepage meiner Gastmama einbauen kann. Der Papa chillt derweil auf dem Sofa und hört die Stones. Ich glaube, daß er über diese unvorhergesehene Ruhepause ganz froh ist.
Da der vorhergesagte starke Regen nach einem kurzen Anlauf – zumindest in der ersten Tageshälfte – doch auf sich warten läßt, wollen wir noch mal los. Vielleicht finden wir eine Stelle auf unserer Insel, wo es zwar jede Menge Wolken am Himmel gibt, aber trocken bleibt.
Nach einer halben Stunde Fahrt, immer dem „Blue Hole“ hinterher, landen wir in Eggum an der Nordmeerküste. Eins der buntesten Dörfchen der Lofoten, aber um hier zu leben, muß man hart im Nehmen sein. Der Ort liegt abgeschieden und ist – gerade in der dunklen Jahreszeit – Wind und Wetter ziemlich stark ausgesetzt. Heute sieht er aber ganz freundlich aus, was uns veranlaßt, doch etwas länger hier zu bleiben und auf dem befestigten Stück Küstenweg westlich der alten Radarstation einen Spaziergang zum Bronzekopf aus der Serie „Skulpturlandskap Nordland“ zu unternehmen.
Unser Tagesziel ist das Wikingermuseum in Borg. Das Hauptgebäude ist der Nachbau eines Langhauses der Wkinger um 800-irgendwas. Der hier ansässige Häuptling ist um die Zeit mit seinem Clan nach Island ausgewandert, weil er mit dem von Süden kommenden, eroberungswütigen Norwegerkönig Harald Schönhaar (hieß wirklich so) keinen Streß wollte. Er stellte also seinen Gefolgsleuten frei, ihm zu folgen oder einem neuen Herren dienen und segelte mit seinen loyalen Mitbürgern gen Westen. Diesem Wikingerclan wird die erste ernstgmeinte Besiedlung Islands nachgesagt. So weit zum historischen Hintergrund. Das Museum wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert und hat 2012 einen komplett neuen Anbau bekommen, in dem sich Räume für Sonderausstellungen und ein Kino befinden. Da wir viel Zeit mitbringen, schauen wir uns dort einen Kurzfilm über die eben genannten Wikinger an. Hier erkennt sogar das Headset unseres Audioguides die von uns in der Ausstellung eingestellte Sprache (Deutsch) und bringt eine synchronisierte Fassung zu Gehör.
Bemerkenswertestes Feature des Museums aber ist der Pfad der Liebe. Melanie kennt so etwas ähnliches von Köln, wo Paare als Symbol ihrer ewig halten sollenden Liebe kleine Vorhängeschlösser an der Rheinbrücke anbringen. Hier oben muß man sich etwas mehr Mühe geben und selbst etwas basteln. Fertige Arbeiten kann man dann an die Zweige der den Pfad säumenden Sträucher und Bäume anhängen. Sicherlich vergänglicher als die Kölner Variante, aber damit auch ein etwas realistischerer Ansatz. Allerdings gilt auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel (nicht wahr, Melanie?).
Das untere Foto zeigt das Haupthaus des Wikingermuseums, mit dem die Insel Vestvågøya prägenden Berg Himmeltind im Hintergrund. Leider ist er heute wolkenverhangen, was wiederum typisch für ihn sein soll. Nach dem Besuch in Borg fahren wir zum Öko-Bauernhof Ålan Gard, wo wir noch etwas Käse erstehen, der sogleich als Mittagssnack herhalten muß. Als Ausgleich für dieses karge Mahl kochen wir uns am Abend im Haus wieder ein leckeres Gericht: Steak mit Ofenkartoffeln und Möhren. Dazu ein kühles Bier – was will man mehr?
Da wir hier kein Fernsehen haben, beschäftigt sich heute jeder für sich. Opa sitzt auf der Couch, liest und hört Musik, während ich wieder Bilder sortiere und die Mails an die Familien daheim schreibe. Für morgen gibt es keinen Plan, weil das Wetter einfach zu unbeständig ist. Mal sehen, wie es nach dem Aufstehen aussieht. Noch vier mal Schlafen, dann sind wir wieder zu Hause. Obwohl es hier oben schön ist, freue ich mich doch wieder auf daheim.
Wikingermuseum in Borg

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