
Westfjorde bei Suðavik
Mittwoch, 29. Mai
Die Westfjorde. Rauh und unnahbar. Im wahrsten Sinne des Wortes. Weit weg. Heute haben wir mit 550 Kilometern die längste Einzeletappe unserer „Tour-de-l’Islande“ vor uns. Nicht, daß mich die Entfernung stört, aber die vom Navi prognostizierte Fahrzeit von knappen 11 Stunden läßt mich doch kurz schlucken. Wir stärken uns am recht ordentlichen Frühstücksbuffett im Hotel und brechen dann zügig auf. Fotohalte werden heute eher ausfallen, also rechnet weder mit viel Text noch mit dollen Bildern.
Die Küstenstraße im Norden Islands verläuft durch – verglichen mit gestern – doch eher unspektakuläre Gegend, aber ehrlich: die Mondoberfläche wäre auch schwer zu toppen gewesen. Micha sitzt heute am Steuer, vielleicht ist das der Grund dafür, daß unsere geschätzte Ankunftszeit im Navi ständig nach unten korrigiert wird. Nach etwa der Hälfte der Strecke legen wir im beschaulichen Örtchen Holmavik einen Zwischenhalt ein, um zu tanken und zu essen. Wir finden ein kleines Café, das im Museum für isländische Hexerei und Zauberei untergebracht ist. Die Oberhexe zaubert in der Küche für uns Waffeln und einen leckeren Blaubeerkuchen. Ich hätte zwar lieber Schokotorte gehabt, aber dafür sind der Wirtin vermutlich die Beschwörungsformeln entfallen. Trotzdem lecker. Zum Schluß bekommen wir noch ein paar Insidertips zum Thema „Hot Pots“. Dies sind, über die ganze Insel verteilt, heiße Quellen, die kleine, aus Steinen selbstgebastelte Swimmingpools speisen. Drei davon liegen im Westfjord-Gebiet.
Ein Blick auf das Navi sagt uns, daß unser Ziel Isafjörður nur 70 km Luftlinie von uns entfernt liegt, aber dank der gezackten Form dieses Landesteils sind es 225 Straßenkilometer. Wer schon mal in Norwegen Urlaub gemacht hat, kennt das Fjord-rein-Fjord-raus-Phänomen. Man meint, sein Ziel schon erkennen zu können, aber dann sind es doch noch 50 Kilometer, weil zwischen der aktuellen und der gewünschten Position des Autos der ein oder andere Meeresarm liegt. Ich sage nur: Trondheim-Narvik! 900 Kilometer rein-raus, immer dasselbe Spiel. Dieses ewige Hin und Her, wo man bekloppt von wird. Das alte Reinhold-Helge-Spiel 🙂
Mitunter hat es seine Vorteile, mit veralteten Karten herum zu fahren. Viele der in meinen Unterlagen noch als Schotterpiste geführten Straßen sind mittlerweile asphaltiert worden, und somit kommen wir unserem Ziel mit Riesenschritten näher. Die Westfjorde sind eine einmalig schöne Gegend. Bizarr. Surreal. Schwer in Worte zu fassen und noch schwerer zu fotografieren. Wie hier in dieser Einsamkeit Menschen leben können – wieder ziehe ich meinen Hut vor dem Volk der Isländer. Respekt! Unser Ziel Isafjörður kann mit Recht als die abgelegenste Stadt des Landes bezeichnet werden, um so schöner ist es zu sehen, daß wir es hier mit einer quirligen Ortschaft zu tun haben. Eine zentrale Einkaufsmeile, um die herum sich diverse Cafés, Restaurants und Geschäfte befinden. Unsere Herberge, das Gamla Guesthouse, liegt praktischerweise nur einen Steinwurf von dieser Straße entfernt. Und am anderen Ende, am Hafen, befindet sich in einer alten Scheune ein tolles Fischrestaurant, wo wir heute den Fang des Tages bekommen: Scholle und Seewolf (der in den Etepetete-Lokalen speziell in unserer Gegend immer sehr vornehm „Loup de Mer“, meistens „an irgendwas“ genannt wird). Hier wird er einfach in der Pfanne gebraten und in derselben mit etwas Kartoffeln und Salat serviert. Dazu ein isländisches Thule-Bier, was will man mehr? Der Laden ist so klein bzw. niedrig, daß unser Kellner ständig leicht gebückt gehen muß. Nach dem Essen sehen wir uns noch etwas am Hafen um. Überall stehen große Spielzeuge für große Jungs herum. Da geht einem doch das Herz auf, speziell Micha kann seinem Spieltrieb freien Lauf lassen, bevor wir so langsam wieder in unsere Herberge zurück schlendern. Und so geht auch dieser Reisetag zu Ende. Übrigens: habe ich schon erwähnt, daß wir zweieinhalb Stunden vor der ursprünglich geplanten Ankunftszeit am Ziel waren? Und das trotz einiger Fotostops…
Blick über die Insel Vígur zur Halbinsel Hornstrandir

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