
Fort Augustus
Montag, 20. Mai
Nach dem langen Ausflug von gestern lassen wir es eher ruhig angehen. Erstens müssen wir heute abend schon wieder unsere Sachen packen, und zweitens wollen wir hier ein paar Mitbringsel für die Daheimgebliebenen suchen. Deswegen gibt es auch heute nicht allzuviel zu berichten. Nach einem späten Frühstück gehen wir hinunter in die Abtei, um ein paar Innenaufnahmen fürs Reisealbum anzufertigen. Wieder ist Micha mit seinem Weitwinkelzoom der König, weil er wirklich die kompletten Räume aufs Foto bekommt. Und manchmal mich noch dazu, weil ich doch beim ein oder anderen Motiv etwas im Weg stehe, was kurz für eine leicht aufgerauhte Stimmung sorgt. Aber irgendwann haben alle ihre Bilder, und wir begeben uns nach ins wenige Kilometer entfernte Drumnadrochit, um in einem der dort zahlreich vorhandenen Souvenirshops ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Natürlich entgeht uns nicht die große Nessie-Attrappe, die große Jungs wie uns direkt zum Draufrumklettern einlädt. Wir knipsen einige alberne Fotos und gehen nach getaner Arbeit in den Shop nebenan, um einen Kaffee zu trinken.
Auf dem Rückweg setzen wir Micha am Highland Club in Fort Augustus ab, während Hermann und ich noch nach einem Standort suchen wollen, von dem aus man ein gutes Bild von der Abtei samt Umgebung machen kann. In der Ferienwohnung wird unterdessen schon gebrutzelt und gegart. Michael, der Paul Bocuse der deutschen Apothekerszene, kreiert ein Menü, bei dem unsere letzten Vorräte draufgehen sollen. Es gibt Steak vom Angus-Rind an gebackenen schottischen Erdäpfeln mit einer Haube aus frischem Küchenkräuterquark, dazu Carpaccio von Tomaten mit leichter Balsamico-Vinaigrette an Streifen von roter Paprika, bestreut mit frischen Basilikumblättern. Und als Dessert empfiehlt der Küchenchef „Jummitiere“. Echt lecker. Nach dem Diner versammeln wir uns noch einmal alle im Clubraum, um den Tag bzw. den Urlaub auszuwerten bzw. in meinem Fall noch etwas Text zu schreiben. Jetzt ist aber Schluß für heute.
Schleusentreppe in Fort Augustus
Dienstag, 21. Mai
Nach einer relativ kurzen Nacht (um 2 Uhr ins Bett, um halb acht wieder raus) müssen wir unsere Ferienwohnung in Fort Augustus wieder verlassen. Unser nächstes Ziel heißt Aberfeldy und liegt in der Grafschaft Perthshire, auf halbem Weg nach Edinburgh. Schönes Örtchen. Hier werden wir zwei Tage bleiben, bevor wir am Donnerstag zu unserer letzten Station in die Hauptstadt Schottlands übersiedeln. Auf meinen Wunsch nehmen wir nicht die direkte Strecke, sondern fahren einen Umweg über das Tal Glen Coe, wo ich gerne noch mal ein weißes Haus vor einem Berg fotografieren will. Micha und Hermann machen sich über diese Obsession bereits lustig und zeigen mir ständig weiße Häuser vor hohen Bergen, sofern wir welche auf unserer Fahrt passieren. Einige Kilometer hinter Glen Coe ändert sich die Landschaft fast schlagartig. Eben noch karg und norwegisch, jetzt grün und irisch – will heißen: eine bunte Mischung aus Hügeln, Wiesen, Wäldern, Seen und Flüssen. Herrlich! Das Wetter spielt mit und die warme Frühlingssonne macht diesen Tag sehr angenehm.
In Aberfeldy angekommen, beziehen wir erst einmal Quartier im Omma-Haus, zumindest erinnert mich unser B&B sehr an das Haus meiner Großmutter. Viel Plüsch und Bommeln, dazu Antik-Möbel vor Blümchentapete – genau so, wie man sich ein englisches Haus eben vorstellt. Kurz die Sachen abgeladen und dann erst mal in der Stadt erkunden, wo wir etwas zu essen bekommen können. Wir sind leider gerade in einer „Zwischenzeit“ gekommen, wo viele Läden, die Mittagstisch anbieten, schon wieder geschlossen sind, die Restaurants mit Abendkarte aber noch nicht geöffnet. So bleibt dann nur ein Take-Away-Pizza-Laden, der einen Mini-Katzentisch für In-House-Gäste in der Ecke stehen hat. Das Essen schmeckt recht gut, nur leider sind die Portionen recht übersichtlich. Und das größte Manko: auch Gäste, die im Haus essen, bekommen alles in Pappe und Papier verpackt serviert. Nicht gerade praktisch. Nach dem etwas kargen Mittagessen holen wir uns Nachtisch in der Cafeteria des örtlichen Kinos namens „The Birks“, einem schönen weißen Bau in einem interessanten Mix aus Art-Deco- und Bauhaus-Einflüssen, der in dieser Graue-Feldsteine-Gegend ein wenig deplaziert wirkt. Frisch gestärkt werfen wir noch mal das Auto an und fahren nach Kenmore, am Ostufer des Loch Tay. Ein wirklich hübsches Städtchen. Der Blick von hier über den See erinnert mich ein wenig an den Hardangerfjord in Norwegen. Leider verschwindet die Abendsonne gerade hinter den Bergen im Westen, und das Licht taugt hier nicht mehr für gute Fotos. Dann fahren wir eben weiter. Ich möchte noch zum sogenannten „Queens View“, einer Aussichtsplattform oberhalb des Loch Tummel, die in einigen Werbeprospekten der Gegend zu sehen ist. Ein toller Blick über ein weites Tal bietet sich hier, aber die Sonne steht mal wieder zu tief. Also gibt es nur ein bis zwei „wir-waren-hier-Fotos“, und dann begeben wir uns auf den Heimweg. Zum Abschluß des Tages spazieren wir noch einmal auf die andere Seite des River Tay, wo ein kleines Hotel steht, von dessen Gastraum man einen schönen Blick ins Flußtal hat. Ein paar Bier, einige kleine Tüten Chips und ein Whiskey in der gemütlichen Lounge – das muß als Abendessen heute reichen. Immerhin gibt diese Kombination die richtige Bettschwere für ein schnelles Einschlafen. Bis morgen.
Ladies View, Loch Tummel
Mittwoch, 22. Mai
Heute werden wir erstmals eine Whiskybrennerei besuchen. Nachdem Hermann und ich gestern abend in der Kneipe einen lokalen Hochprozentigen getrunken und für gut befunden haben, wollen wir uns heute mal in der dafür verantwortlichen Destillerie umsehen. Es trifft sich hervorragend, daß Dewar’s World of Whisky direkt hier in Aberfeldy ansässig ist und die Produktionsstätte nur einen kurzen Fußmarsch von unserem Bed & Breakfast entfernt liegt. Also können wir das Auto stehen lassen und vor Ort vielleicht noch ein kleines Getränk verkosten. Wir buchen dazu den Rundgang „Taste from the cask“. Eine junge Schottin, mit rötlichen Haaren, Kilt und vor allem lauter Stimme führt uns durch die Brennerei. Obwohl Teile der Produktion mittlerweile erheblich modernisiert und industrialisiert sind, wird auch heute noch in teilweise über 40 Jahre alten Tanks aus sibirischer Lärche die Vorstufe des Whiskys hergestellt. Der darf sich aber erst dann „Scotch“ nennen, wenn er mindestens drei Jahre in Eichenfässern – und das bitteschön in Schottland! – gelagert wurde. Und das erste Lagerhaus, das auch heute noch für diesen Zweck genutzt wird, bildet den Endpunkt des Betriebsrundgangs. Aber Moment, wo war denn noch mal die Verkostung? Kommt gleich, ach so. Dann ist ja gut. Müssen wir uns wohl erst verdienen. Also schauen wir im Kinoraum einen Film über die Geschichte der Dewar-Destillerie an, besichtigen die Ausstellung über just das gleiche Thema und finden uns anschließend wieder an der Rezeption ein, wo wir bereits von einem weiteren alten Schotten erwartet werden. Jetzt geht’s noch mal zurück ins Lagerhaus, in einen Bereich, der vorher mit Kordeln abgesperrt war.
Ah, jetzt kommt das Getränk. Und was für eins: es handelt sich um einen 30 Jahre alten Single Malt mit 58% Alkohol. Jeder kriegt ein Glas in die Hand gedrückt, das mittels einer übergroßen Pipette aus dem Faß mit etwa 10cl Whisky gefüllt wird.
„Aber Vorsicht!“ sagt der Erklärbär. „The initial taste may be a bit like a ‚bum‘ in your mouth“. Geschmacklich also ein Schlag in die Fresse. Man braucht zwei, drei Schlucke, bis man sich daran gewöhnt hat. Mir wäre das definitiv zu stark. Die volle Wirkung des Getränks spüren wir, als wir aufstehen, um zum Ausgang zurück zu gehen. Da unser Frühstück schon einige Zeit her ist, haben wir den Schluck praktisch auf nüchternen Magen getrunken. Micha beginnt grundlos zu kichern; Hermann und mir dreht’s ein wenig beim Gehen. Also setzen wir uns wieder hin und bestellen erst mal noch einen Kaffee und ein Sandwich. Draußen geht eh gerade ein Schauer nieder, dessen Ende können wir also in Ruhe hier drin abwarten. Wir kaufen noch zwei Flaschen zum Mitnehmen und machen uns anschließend wieder auf den Heimweg. Zurück im B&B brauche ich erst mal ein Nickerchen. Jetzt ist gerade Abendessen-Zeit, da werden wir uns noch mal zu Fuß in den Ort begeben, um in einem der Pubs eine Kleinigkeit zu essen. Morgen reisen wir wieder ab, dann sind wir noch bis Sonntag in Edinburgh. Dort haben wir eine Ferienwohnung im historischen Teil der Stadt gebucht.
Dewar’s Destillery in Aberfeldy

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