
Glen Affric
Samstag, 18. Mai
Wieder beginnt mein Tag sehr früh. Diesmal um fünf, weil ich durch intensives Vogelgezwitscher vor unserem Fenster geweckt werde. Also zu das Brett, noch mal umgedreht und weiter „jepooft“, denn das Wetter draußen sieht nicht sonderlich einladend aus. Waschküche, so wie wir uns Schottland eigentlich vorgestellt hatten. Ich stehe gegen 10 Uhr auf und schreibe erst einmal den Tagebericht von gestern zu Ende. Kurz vor elf gibt es dann gemeinsames Frühstück. Heute heißt das Tagesziel Glen Affric, ein typisch schottisches Tal, das zumindest auf den Schönwetterfotos im Internet echt traumhaft aussieht. Hermann hat sich für heute ein paar Geocaches entlang der geplanten Fahrtroute herausgesucht – den Gefallen, ab und zu mal anzuhalten, damit er im Gelände nach vergrabenen Tupperdosen suchen kann, wollen wir ihm gerne tun. Immerhin schlägt er sich ja auch diverse Stunden um die Ohren, immer darauf wartend, daß Micha und ich mit Fotografieren fertig werden mögen. Den ersten Cache in der Nähe von Fort Augustus finden wir noch relativ leicht, beim nächsten führt auch intensive Suche mit vereinten Kräften nicht zum Erfolg. Aber davon lassen wir uns die Laune nicht verderben, sondern fahren weiter in Richtung Invermoriston, wo es einen Wasserfall geben soll. Vielleicht taugt der was fürs Foto.
Tut er nicht. Sieht zwar ganz nett aus, ist aber von grauer Felslandschaft rechts und links sowie grauen Steinbrücken im Hintergrund umgeben. Ach so, ja: die Steine im Vordergrund sind natürlich auch grau. Dazu das Nieselwetter, da gibt jede Kamera mangels verwertbarer Kontraste auf. Also weg hier. Daß wir auf der falschen Straße fahren, die irgendwann zur Isle of Skye führt, merken wir erst nach einigen Kilometern, weil die vorbeiziehenden Ortsnamen nicht zu den laut Karte geplant zu passierenden Plätzen passen wollen. Etwa 15 Kilometer nach der Abfahrt machen wir kehrt. Allerdings sehen wir an unserer Wendestelle eine recht einsame Telefonzelle am Waldrand, die sofort zu allerlei Spielereien mit der Kamera einlädt. Nebendran steht noch eine verfallene Kirche, wo Michael fürs Foto eine Hauserstürmung, mit einer alten Gasflasche als Brecheisen simuliert. Von Hermann und einer sinnlos in der Gegend herumstehenden Vogelscheuche knipsen wir schließlich ein paar Fotos, die wir später daheim mit Photoshop noch zu einem sinnvollen Ganzen verschmelzen müssen. Wir fahren weiter bis Cannich, wo wir wieder einen Cache finden und im örtlichen Supermarkt noch ein paar Vorräte mitnehmen, bevor auf der Rückfahrt alle Läden schon geschlossen sind. Immerhin ist es schon 15 Uhr, und die geplante Umrundung des Loch Affric rückt in immer weitere Ferne.
Auf der schmalen Straße, die bis zum Ostufer des Sees führt, kommt man nur langsam voran, denn sie ist einspurig und recht kurvig. Irgendwann endet sie schließlich an einem großen Parkplatz mitten im Wald. Da wir’s schon halb fünf haben, lassen wir die Wanderung ums geplante Tagesziel sausen und wählen einen der vorgefertigten Spaziergänge aus den kostenlosen Karten des schottischen Tourismusverbandes. Entlang des Flusses Affric verläuft der gut begehbare Pfad, der rechts und links mit interessantem Gelände aufwarten kann. Selbst heute, bei diesigem Wetter mit gelegentlichem Nieselregen hat die Gegend ihren Reiz. Nicht auszudenken, wie toll das hier erst bei Sonnenschein und schönem Licht aussehen mag. Nach einer reichlichen halben Stunde stehen wir wieder auf dem Parkplatz. Das ging ja recht flott, vielleicht könnten wir eine weitere der im Gratisführer empfohlenen Wanderrouten versuchen, die zu recht ansehnlichen Wasserfällen führen. Aber natürlich kommt es immer anders, als man denkt, denn auf dem Rückweg zum Startpunkt der nächsten Spazierrunde entdecken wir rechts unten im Fluß, der sich an dieser Stelle auf Seebreite ausgedehnt hat, eine bewaldete kleine Insel. Ein Steg aus Steinen führt dorthin, und uns wird sofort klar: hier müssen wir anhalten. Zu dritt begeben wir uns runter zum Ufer, und sogleich fallen uns die vielen sehenswerten Motive ins Auge, die hier am Rand des Flusses verstreut liegen. Der mittlerweile einsetzende Regen hält uns nicht davon ab, auf die Jagd nach möglichst guten Fotos dieser Szenerie zu gehen.
Hermann leistet mir Gesellschaft, während Micha auf eigene Faust die Insel durchstreift. Fast eine Stunde verbringen wir hier mit Knipsen, bevor sowohl unser Equipment als auch unsere Sachen ziemlich feucht geworden sind. Aber noch haben wir das Tal nicht verlassen. Schließlich tut sich mit einem Staudamm samt fotogenem Maschinenhaus noch mal ein Fotomotiv auf. Hermann wartet jetzt wieder im Wagen, während zunächst Micha und dann auch ich auf der Staumauer ein paar Bilder knipsen.
Nach einer Stunde Fahrt sind wir wieder in unserem Kloster. Es stürmt mittlerweile ganz schön, so daß die Wellen auf dem Loch Ness kleine Schaumkronen bekommen. „Schnell rein ins Warme“ heißt die Devise, und Abendessen wollen wir ja schließlich auch noch. Hermann und Micha fangen in der Küche mit den Vorbereitungen fürs Kochen an, derweil ich wieder die Bilder des Tages sortiere. Nach kurzer Zeit werde ich von beiden mit dem Ruf „Foto, aber flott!“ in die Küche zitiert, weil hier gerade eine Nachstellung der legendären Kochszene „The Pommes are schwimming on the Supp‘ now“ aus den Anfangstagen der 3H-Association aufgeführt wird. Gute Gelegenheit für Michas Weitwinkelobjektiv, mit dem man selbst in der kleinen Küche den kompletten Cast draufbekommt. Nach dem Abendessen heißt es noch etwas Bilder sortieren und Bericht verfassen, und dann geht auch dieser Reisetag zu Ende.
Wasserkraftwerk bei Crannich

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