
Bridge of Orchy
Hermann, Micha und ich gehen auf Tour. Ab dem 15. Mai sind wir unterwegs. Erst einmal zu dritt für zehn Tage in Schottland. Wir residieren zunächst eine Woche in einer Ferienwohnung am Loch Ness, in einer ehemaligen Abtei. Danach werden wir zwei Tage spontan irgendwo übernachten, bevor wir die letzten drei Nächte in Edinburgh verbringen. Hermann verläßt uns an dieser Stelle wieder, weil er leider arbeiten muß – während Micha und ich noch eine Woche Island dranhängen können, wo wir vor allem im Norden und Nordwesten unterwegs sein werden.
Mittwoch, 15. Mai
Nachdem wir gestern Abend mit einigem Aufwand unser Gepäck auf Easyjet-Format gepackt haben (was echtes Talent im verlustfreien Komprimieren von Dingen erfordert), fahren Micha und ich heute morgen guter Dinge zum Flughafen Berlin-Schönefeld. Der Flug nach Glasgow verläuft reibungslos, lediglich beim Landeanflug hat der Pilot mit straffem Seitenwind zu kämpfen. Im Terminal erwartet uns Hermann, der bereits eine Dreiviertelstunde früher hier angekommen ist. Am Avis-Mietwagenschalter der erste kleine Schreck: für uns liegt keine Reservierung vor.
Das geschulte Auge des Schalterbeamten sieht, was ich eigentlich bei der Buchung hätte erkennen müssen. Unser Mietwagen wartet auf uns nicht am richtigen Flughafen, sondern an dem Ort, den die Ryanair als Glasgow ausgibt – nämlich in Prestwick, ca. 40 Kilometer entfernt. Nun gut, da kann man nix machen – wir müssen erst mal dorthin, auch wenn mich mein Anfängerfehler extrem nervt. 70 Pfund für die Taxifahrt und später noch einmal 40 Einwegzuschlag, damit wir die Karre in zehn Tagen im echten Glasgow wieder abgeben können, sind überflüssiges Lehrgeld. Statt der im Internet angepriesenen deutschen Kombis in unserer Fahrzeuggruppe erwartet uns nur ein Peugeot 508, der mit seinem Glasdach zwar recht schick aussieht, aber nix kann und zudem noch butterweich gefedert ist. Michael wird später noch darunter zu leiden haben.
Jetzt aber heißt es erst mal: weg kommen und heil nach Fort Augustus gelangen, wo wir für eine Woche eine Ferienwohnung gebucht haben. Linksverkehr ist so eine Sache: wenn man mit dem Strom auf der Autobahn mitschwimmt, klappt das eigentlich recht gut, aber wehe, es kommt ein Kreisverkehr – dann schaut man als Normal-Europäer erst zunächst instinktiv in die falsche Richtung. Eine Angewohnheit, die auch das Leben als Fußgänger erschwert, weil feindliche Fahrzeuge immer von da kommen, wo man es gerade am wenigsten erwartet. Aber gut: wir haben ja noch reichlich 10 Tage zum Üben…
Bereits kurz hinter Glasgow wird die Landschaft sehr angenehm fürs Auge. Die südlichen Ausläufer der Highlands beginnen hier, wir fahren vorbei am Loch Lommond und können in der Ferne schon einige schneebedeckte Gipfel ausmachen. Die schmale Straße schlängelt sich an Felsen vorbei. Irgendwann öffnet sich vor uns ein weites Tal, das den Erbauern dieser Verkehrsader ermöglichte, so in die Breite zu gehen, daß wirklich zwei PKW bequem aneinander vorbei passen, ohne am Felsgestein bzw. am Gegenverkehr anzuschrammen. Und hier legen wir auch gleich den ersten Halt zum Knipsen ein. Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt erreichen wir das Tal Glen Coe, eine der schottischsten Landschaften überhaupt. Hier wird am Eingang noch mal gehalten, weil auch gerade fotogene Wolken zwischen den Bergen hindurch ziehen. Aber kalt ist es: 8°C, dazu ein strammer Wind, der durch das enge Tal pfeift. Nach der Passage von Glen Coe führt die Straße wieder hinab zum Meer, und von da in einem Bogen nach Nordosten, Richtung Loch Ness. Einer der Orte, die wir unterwegs passieren, kann mit einem originellen Namen aufwarten: Lochlochy. Fort Williams merke ich mir im Vorbeifahren als nettes Touristenstädtchen, wohin man sicher bei schlechtem Wetter (soll ja hier auch ab und zu vorkommen) einen Abstecher unternehmen kann.
Etwa 50 km vor dem Ziel wird die Straße sehr kurvig, und Micha, der wie wir alle seit dem Mittagessen (Moment – welches Mittagessen?) nur eine Banane bekommen hat, hängt ziemlich bleich in seinem Sitz. Als wir endlich Fort Augustus erreichen, kann er aufatmen.
Unsere Residenz, denn anders kann man solch eine Unterkunft, ein ehemaliges Kloster, nicht nennen, liegt direkt am Ufer des Loch Ness. Eine Allee aus hohen Buchen säumt die Einfahrt, gepflegter englischer Rasen rechts und links, dazu Kricket- und Tennisplätze, ein Spielplatz, ein Grillplatz am Ufer und diverse andere Features, die uns derzeit aber noch verborgen bleiben. Wir werden von einer Freundin unserer Vermieterin herumgeführt und sind sehr angetan vom Ambiente unseres Quartiers. Es gibt sogar einen Pool mit Sauna und Dampfbad in einem der Gewölbe im Erdgeschoß. Unsere Wohnung liegt im Ober- und Dachgeschoß eines Seitenflügels der ehemaligen Abtei. Hochwertige Ausstattung, viel Platz und Aussicht auf den Park.
Jetzt noch schnell etwas essen, und dann reicht es für heute mit Programm. Wir finden nach einigem Umherlaufen schließlich drei Plätze im Pub „The Lock Inn“, direkt an der Schleuse. Big Mama an der Theke, die alle männlichen Gäste nur mit „Hey, Boys“ anredet, nimmt unsere Bestellung entgegen: für Hermann und Micha jeweils einen Steak Burger und für mich einen homemade Steak Pie. Dazu frisch gezapftes Bier. Das tut gut. Und so geht der Anreisetag auch langsam zu Ende…
Abend am Loch Ness

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